NODE13 – Eindrücke

NodeparticipantsDer Frankfurter Kunstverein hat eine Woche (11.2-17.2) lang seine Räume einem Forum für digital Arts mit dem Thema „rules“ geöffnet. Es fanden 30 workshops statt, die wesentlich dem Erfahrungsaustausch einer inzwischen  globalen Gruppe junger Anwendungsprogrammierer der multipurpuse Software „vvvv“ diente. Ab 18 Uhr war die Öffentlichkeit eingeladen, sich die Ausstellung der digital Art Objekte, die meist mit vvvv generiert waren, anzuschauen. Obwohl in den Zeitungen freundlich berichtet worden war, und ein ansprechendes Programmheft verteit war, schien das Beiwort „digital“ und das massive Aufgebot laptopbestückter junger kunstoffener, meist männlicher Nerds die normalen Kunstvereinsbesucher abgeschreckt zu haben.

Ursprünglich ist vvvv von der Frankfurter Softwareschmiede Meso Digital Medi Systems Design zur interaktiven Steuerung von Licht, Musik, Grafiken, etc. entwickelt worden. Es ist eine datenstromorientierte Programmiersprache, d.h. in „Echtzeit“ gibt es Steuerungsimpulse über Bewegungssensoren oder Programmbefehele, diese werden dann verarbeitet um als Output wiederum Geräte zu steuern, Grafiken aufzurufen, Animationen zu bewerkstelligen, etc. Die offizielle Definition lautet: „vvvv ist ein Toolkit für die Echtzeit-Video-Synthese. Es ist entworfen, um das Handling von großen Medien-Umgebeungen mit physikalischen Schnittstellen, in Echtzeit animierte Grafiken, oder Audio und Video, die mit vielen Benutzern gleichzeitig interagierten können, zu erleichtern.“

Irgendwann wurde diese Software für Künstler und Privatanwender zur Open Source erklärt und ist inzwischen vielseitig von einer wachsenenden internationalen Community weiter entwickelt worden. So bot es sich an, dass man alle Anwender und Entwickler nach Frankfurt einlädt. Und was man damit im Creativbereich machen kann, ist beeindruckend. Im Ausstellungsprogramm wurden allerdings auch Arbeiten gezeigt, die nicht vvvv zur Grundlage hatten, hier ging es allgemein um Digital Art

Der international berühmte Novi_sad Grafik und (die extrem laute) Musik von Ryoichi Kurokawa haben mich mit der Videopräsentation „Sirens“ am stärksten beeindruckt. Mit der Ankündigung, es handele sich um eine Visualisierung und Vertonung diverser Börsencrashs konnte ich nichts anfangen. Aber die Gewalt der fließenden Bilder, das Herausschälen von Figürlichkeit aus abstrakten Linien, und insbesondere die Sequenz, wo zeitlupig Gesichter mit Oberkörper kontrastierend zerfließen, verformend, verschwindend und wieder entstehend erscheint wie ein Flimmern von deja vu, von Bildern der Moderne. Nur war es lang, wollte kaum aufhören. Am Schluß (oder war das ein anderer Beitrag?) verformen sich Landschaften wie unter tektonischen Plattenverschiebungen. Nach einer Minute ist das Zermalmen der Welt klar, aber muss es eine gefühlte viertel Stunde mit ohrenschmerzenden, den Boden vibrierenden Gedröhne sein?

Fast gefällig dagegen Geoffrey Lillemon er ist der geborene Selbstvermarkter, kesses rotes Halstuch, Auftragsarbeiten für Parfumkonzerne, Projekte mit Konzernen und freie Projekte, anders gesponsort, alles mit vvvv produziert. Er liebt reale Vorlagen in seinen Arbeiten, was bisweilen einen kitschig betörenden, schnellen Farbenzauber in musikalischer Bewegung erzeugt. Gekonnt sind Alltagsgegenstände virtuell verbraten.

FabricmachineIm Keller des Kunstvereins steht die Fabricmachine von Katrin Stumreich. Eine Soundmaschine, die über optische Sensoren die Faserstruktur in Ton umsetzt. Man kann die Sensoren verschieben, und so zu unterschiedlichen Gewebestreifen bewegen, was entsprechende Sounds produziert. Optisch sehr gelungen, aber die Soundproduktion fand ich dann doch etwas wenig variantenreich. Etwas für Leute, die den Detailreichtum sonorer Rythmen schätzen.

Julian Oliver als „critical Engeneer“ bekannt, war für mich die vielleicht spannenste Figur auf dem Forum, ist mit seinen Projekten am dichtesten an der gesellschaftlichen Bedeutung der uns umhüllenden digitalen Infrastrukturen. Spannende Vortrag nicht per Powerpoint runter genudelt [was hier sowieso niemand machte], sonder direkt aus seinem Notebook heraus einzelne Videos abgerufen, Afmerksamkeitssätze positioniert, etc. Eins seiner Projekte besteht darin, in Internetcafes über eine Steckdose einen kleinen Router zu mogeln, der ein offenes WLAN anbietet, in dem Seiten gefälscht werden. Er will damit zeigen, dass wir Systemen blind

vertrauen, die leicht manipulierbar sind. Seine These und Warnung, wir sehen bei all diesen Dingen nicht mehr was dahinter steckt, was damit passiert. Trivial, aber doch nicht trivial!.

Der Medienkünstler Kyle McDonald hielt den quirligsten Vortrag. Er twittert, blogt, und spielt auf der Medienklaviatur mit spielender Leichtigkeit. Mit einem Projekt hat er ein App in die Macs im New Yorker Applestore gemogelt, das beim Bedienen die Web-Cam auslöst und das Bild zu seinem Server schickt. Hunderte von Gesichtern, die in den Laptop glotzen, während Sie eine Mail schreiben oder einfach nur rumspielen. Wie sieht uns der Computer? Es stellt sich heraus, dass wir alle irgendwie gleich in die Kiste schaun, egal, was wir von uns geben. Die US-Polizei und Apple fanden das nicht so lustig. Soweit ich es verstanden habe, ist noch ein Verfahren gegen ihn anhängig.

Node-PodiumDas Freitagsabendpodium als gesellschaftspolitische Konklusion aller künstlerischen vvvv-Aktivitäten gedacht, war leider etwas unterbesucht. War die Uhrzeit zu spät oder sind die kunstbesessenen Nerds  doch nicht so sehr mit der Politik befasst?  Wie auch immer. Die Nichttransprenz der uns umgebenden Infrastruktur war das Thema; wie man den Regeln entweichen kann, wurde nicht so ganz deutlich. Empfohlen wurden Transparenz, Aufklärung, Projekte gegen die Vereinnahmungen, Open Source gegen Konzernbestimmungen. Jeder sollte den Code der Regeln verstehen können, das wurde dann aber doch abgelehnt.

Ausklingend gab es noch ein Live coding Performance von Alex McLean, dessen Vortrag LiveCoding„Changing the Rules While They Are Followed“ am Nachmittag mir sich nicht ganz erschloß. Begeisterter Programmierer, der dieses Fach selbst zur Kunst erklärt.
Seine Performance am Abend war auch ein Lehrgang in vvvv in seinem Programmiercode. Er saß im Publikum, Tablet auf dem Schoß, und tippte die vvvv– seine Komandosprache zur Soundgeneriererung ein, was alle an der Leinwand nachvollziehen konnten. Philosophisch war das interessnt, wenn man einem DJ zuschaut, wie er Samples mixt, sieht man nicht, welche Platten er drauf hat, und was er eigentlich macht. Aber Alex McLean konnte man genau zu sehen, weil seine Musik über den sichtbaren Textcode generiert wird. Es gab viel Beifall, aber ich fand die Musik zu technolastig, das ist vielleicht eine Generationenfrage. Ich vermute, vvvv seine Programmsprache hat da sicher viel mehr drauf.

DavidGannDen Abschluß machte David Gann mit seiner kreativen Performance „Leaving The Planet“. Bei dieser Applikation mixt der Künstler den Sound original mit einem Keyboard und weiteren Schaltern, wobei die Samples mit hinterlegten Videosequenzen, Bildern über vvvv gekoppelt sind. Schöne Bildsequenzen und interessante Soundkollagen waren zu sehen und hören. Der  Übergang von abstrakten Fließfiguren zu z.B. einer Ameisensequenz erfolgte per Filmschnitt, das war mir zu aprupt. Die ästhetische Qualität der Bilder war hoch, aber nicht durchgehend gleich. Hier (und auch bei McLean) hätte vielleicht eine kürzere, konzentriertere Performance mehr gebracht.
Es war schade, dass die beiden Künstler nicht eingeführt wurden. Der Ort hätte nicht das Museumscafe sein sollen, es fehlte eine große, zentral plazierte Leinwand die mehr Raum für eigene Meditationen läßt.

Insgesamt sehr spannend, die Ausstellung hätte mehr Resonanz verdient. Von den hier vortragenden und anwesenden jungen Künstlern werden wir sicher noch Einiges zu hören und sehen bekommen.

 

 
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5 Antworten zu NODE13 – Eindrücke

  1. Henner sagt:

    Hallo Heino,
    schöner Beitrag, sehr ausführlich.
    Der Satz „Er saß im Publikum, Tablet auf dem Schoß, und tippte die vvvv-Komandosprache zur Soundgeneriererung ein, was alle an der Leinwand nachvollziehen konnten.“ ist aber leider falsch. Alex McLean verwendet nicht VVVV. VVVV ist nämlich keine textuelle Programmiersprache sondern eine Visuelle. Ich nehme an er verwendet CSound oder ähnliches.

     
  2. Heino sagt:

    Hallo Henner,
    danke für Deine Korrektur. Eigentlich hätte ich es mir denken können, denn auf den Laptops waren ja meist die Grafiken mit Kästen (Knoten) und verbundenen Linien zu sehen, was wohl vvvv war.

     
  3. Alex sagt:

    It was a wireless keyboard on my lap, and I was using my own software written in Haskell and C, not vvvv.
    Part of the reason it was so techno-heavy was that there was some strange digital distortion on certain frequencies, and I had no choice but to make industrial techno.

     
  4. Heino sagt:

    thank you Alex for information . When you had to make industrial techno, is not this an example where the „rules“ contradict your intention? 😉

     
  5. Pingback: Node 15: Eingehüllt in Code, die Zukunft des geprägten Körpers | Heinos Netzblog

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