Klar, das Thema dieser Tage ist die Flüchtlingsfrage. Fast bahnt sich da eine Völkerwanderung an, gäbe es nicht die hohen Mauern um Europa. Aber zur Zeit hat sich unter dem Druck unmenschlicher Bedingungen in den Fluchtländern der Vorhang etwas gelüftet, es kommen Tausende pro Tag. Notunterkünfte und unmittelbare spontane Hilfe ist die einzig humane Antwort, und da die Fliehenden neben allem dringend Informationen brauchen, wissen wollen, wie es Freunden und Verwandten geht, ist das Smartphone das Orientierungsmedium Nummer 1. Aber eine Prepaid-Karte kostet Geld und ist bei Ferngesprächen schnell erschöpft, also müssen für schnelle Hilfe Internetverbindungen frei geschaltet werden. Das genau ist das Anliegen der Freifunk-Bewegung, das Netz frei zugänglich und frei von Schnüffelei zu organisieren. Die Frankfurter Rundschau berichtete am 4.Sept.15 über ein erstes Projekt der Frankfurter Freifunker, in einer Notunterkunft für Flüchtlinge ein kostenloses, passwortfreies WLAN anzubieten.
Das fand ich eine so gute Idee, dass ich sogleich am Montagstreff der Freifunker im Kanonensteppel in der Textorstrasse vorbei schaute, um mich über die Aktivitäten zu informieren. Gefühlte 50 Leute, meist Männer jüngeren und mittleren Alters plauderten in Gruppen beim Äppelwoi über ihre Anliegen. Es waren Freifunker aus Mainz und Wiesbaden da, die über Kooperationen reden wollten, es war der harte Kern da, und es waren etliche Neulinge da, mit Interesse für den Freifunk und für den freien Netzzugang für Flüchtlinge. Manfredo Mazzaro, Freifunker und Pirat in einer Person setzte uns über das Flüchtlingsprojekt ins Bild. Hilfe wird gar nicht so sehr im technischen Bereich gebraucht, Hilfe ist zu 90% im Kommunikations- und Öffentlichkeitsbereich vonnöten. Die verantwortlichen Betreiber der Einrichtungen müssen gefunden werden, sie und ihre Mitstreiter müssen überzeugt werden, dass Freifunk kein juristisches Risiko bedeutet, dass Sicherheitsbedenken übertrieben sind (z.B. wieso sollte ein „Schläfer“ bzw. ein fanatischer Islamist den mühsamen Flüchtlingsweg gehen, wo es bereits ca. 800 deutsche IS-Kämpfer gibt, die mit deutschem Pass und arabischen Dollars bequem einfliegen können?), und dass so eine WLAN-Station ziemlich einfach zu installierenen ist und wartungsfrei funktioniert, wenn in der Einrichtung bereits ein Internet vorhanden ist. Auch wenn kein Internet vorhanden ist, läßt sich über Richtfunk aus der Nachbarschaft eine Anlage „basteln“, die im bezahl(spend)baren Bereich bleibt. Das leidige „Störerhaftungsproblem“, d.h. die deutsche Gesetzteslage, nach der der Bereitsteller haftet, falls ein Nutzer Illegales im Netz treiben sollte, haben die Freifunker dadurch gelöst, dass die Daten über einen „Tunnel“ nach Schweden geschickt werden, und erst dort ins Internet gehen, wo es eine Störerhaftung nicht gibt.
Über die Philosophie der Freifunker informiert deren „Zentralorgan“ http://freifunk.net. Die Seite der Frankfurter Freifunker ist http://ffm.freifunk.net (oder www.wifi-frankfurt.de). Ein informatives Interview mit den Frankfurter Freifunkern Christof Schulze und Jan Kunkel steht in Informatik Aktuell, in dem auch viele wichtige Links zum Freifunk zu finden sind.
Wer die noch nicht so ganz dichte Freifunkdecke Frankfurts enger verweben will, braucht nur bei den Kollegen einen vorfigurierten Router für 17 Euro zu erstehen, ihn an den eigenen Router stöpseln und ins Fensterbrett stellen. Die Vision des Vereins besteht darin, die ganze Stadt mit einem dichten freien WLAN-Netz zu überziehen.
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