Doha vom Lesesessel aus betrachtet

Im Blätterwald steht der Klimabaum weiter hinten, aber noch herausragend mit seinen hängenden Ästen und starkem Blattverfall deutlich zu erkennen. Die Klimapolitik erfährt kritische Berichterstattung.  Nichts Neues von USA und China, die 3. Welt tariert und buhlt um Gelder, Europa selbst gespalten (die bösen Polen), das Musterland Deutschland ebenfalls gespalten (die liberalen Kacker glauben an den Energiepreisen ein rettendes Wahlkampfthema gefunden zu haben) – kann da eine weitere Konferenz sinnvoll sein? Hinterher weiss man das immer besser, zumal auf der dürftigen Datenlage für Otto Normalverbraucher aber wohl auch für die Experten.

Zum Klimakonferenzsystem: Angesichts der Sachlage, dass nach heutigen Hypothesen relativ wenige Länder massive Schäden haben werden, relative viele Länder mit den in absehbarer Zeit zu erwartenden Schäden relativ gut klar kommen werden, ist es überhaupt nicht selbstverständlich, dass sich die Weltgemeinschaft an einen Tisch setzt, um über Strategien zur Schadensbegrenzung, die allen Beteiligten erst einmal Kosten aufbürden werden, nachzudenken. Die politische Zustimmung des Wählervolkes für Solidarmaßnahmen, die anderen Ländern primär und dem eigenen Land nur indirekt Nutzen bringen, ist gering, wie das Beispiel Griechenland-EU zeigt. Zyniker halten gerne Menschenrechtskonferenzen, Weltfrauenkonferenzen, ja die ganze UN für kostspielige Schwatzbuden, die außer Konferenztourismus nichts bringen. Wer so denkt, sollte mal eine Alternative nennen. Einfach laufen lassen? Sich im Konfliktfall gleich die Köpfe einschlagen? Entsolidarisierung schlägt spätestens dann zurück, wenn man selbst Hilfe braucht. Nein, es ist gut so, dass Kommissionen und zuständige Politiker nach Doha reisen, und dort das große Palaver anstimmen, wie man zu minimalen Konsensen kommen kann. Der hoch gehängte Anlass einer Weltkonferenz ist Garant, dass das Thema in den Nationen in die Zeitungen kommt, die existierenden Analysen werden von Multiplikatoren gelesen, das Handlungsfeld ist als Ernsthaftes auf der Agenda, und die NGOs und Pro-Klimaschutzlobbys erfahren eine Stärkung. Dass die Ergebnisse nicht so aussehen, wie Klimaschützer das gerne hätten, liegt in der Natur der Sache. Es gibt zu viele unterschiedliche Interessen und zu unterschiedliche Ausgangslagen in den Ländern, so dass eine auch nur viele befriedigende Lösung unmöglich ist. Die einzige akzeptierte Formel ist wohl die: „Lasst uns drüber reden, überlasst uns freiwilliges Handeln, und entschieden wird erst morgen, da wollen wir noch abwarten“. Damit ist das „Vertrags-Ergebnis“ von Doha grob charakterisiert. Die taz vom 10.12.12 betitelt das so: „Klimarettung kommt, aber später“ (hier werden die Ergebnisse kurz vorgestellt). Am 6. Dezemeber schreibt die FR noch „Klimagipfel droht zu scheitern„. Besser argumentiert die Zeit am 8.12. „Klimagipfel hofft auf den letzten Kraftakt„. Am selben Tag sagt die Süddeutsche: „Doha steuert auf Minimalkonsens zu„(hier werden noch am präzisesten die Vertragsprobleme beschrieben). Der nun doch erreichte Minimalkonsens war nur noch über einen eindeutigen Verfahrensfehler machbar (taz), der Verhandlungsführer hat im Plenum seinen Hammer genommen,  und den Beschluß konstatiert, obwohl die russische Delegation nicht zugestimmt hatte, und es eine Einstimmigkeitspflicht gibt.

Wie ist die Lage?

Weltweiter CO2-Ausstoß bis 2010
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Diese Tabelle zeigt, es geht munter aufwärts mit den Emissionen – gab es 1997 ein Kyoto-Abkommen?

Diese jüngste Klimaschutz-Analyse von Germanwatch zeigt, wo wir mit unseren Emissionen gegenüber China und USA liegen. Die ersten beiden Spalten geben den Germanwacht-Klimaschutzindex wieder, der aus den Parametern Emissionsniveau, Entwicklung der Emissionen, Erneuerbare Energien, Effizieinz und Klimapolitik berechnet wird. Man sieht, dass außer der USA und China alle Industrienationen einen verschlechterten Index haben, d.h. der Klimaschutz stagniert nicht nur, er verschlechtert sich.

 

Deutschland liegt 2012 an 8. Stelle. Germanwach hat in Doha seinen jüngsten Klimaschutzindex vorgestellt. Die Pressemitteilung: „Hohe Emissionen – Geringe Ambitionen„.

Wie gehts weiter?

Es wird allgemein angenommen, dass das Klimaschutzziel, die Erderwärmung auf 2 Grad Cesius zusätzlich zu begrenzen, nicht mehr erreicht werden wird. Der Hauptverbündete in einer Strategie für mehr Klimaschutz ist ein steigender Preis für die allmählich ausgehenden fossilen Energieträger. Aber leider ist dieser Sachverhalt sehr schwierig zu bestimmen. Der Oil-Peak (der Zeitpunkt bei dem die größte Förderung erreicht, und weitere Vorkommen abnehmen) ist mehrfach angesagt und wieder verschoben worden, weil die Unbekannte die schwer hebbaren Ölschiefer und tiefen Gasvorkommen sind. In den USA herrscht z.Zt. Ölboom, weil neue Technologien (Fracking) entwickelt sind, um die dort massiv vorhandene Ölschiefer und Gasvorkommen zu fördern. Allerdings streiten die Experten über den Erfolg. Es werden bis zum Jahre 2020 Prognosen vorgelegt, die zwischen 70 und 190 $ pro Barral schwanken (vgl. Amerika taumelt in den Ölboom). Geht der Preis bald richtig hoch, dann wird wieder mehr für die Erneuerbaren getan, bleibt er tief, sieht es mit der Energiewende in Deutschland, und mit Impulsen in den Schwellenländern, umzusteigen, schlecht aus.

Zu den Kontroversen: Der Autor und Umweltjurnalist beim Guardien George Monbiot schreibt „Es befindet sich genügend Öl unter der Erdoberfläche, um uns alle zu frittieren, und es gibt kein Mittel, um Regierungen und Industrie davon abzuhalten, es dort rauszuholen„. Die Peak-Oil.com Ausgabe hält dagegen, dass es nicht auf die Vorkommen ankomme, sondern auf die Förderraten. Und weil jede Bohrstelle innerhalb weniger Jahre nur noch ein 10tel sprudeln läßt, kann eine hohe Fördermenge nur durch ständig neue Bohrlöcher aufrecht erhalten werden, was beim Fracking ein sehr aufwändiger Prozess ist, der nur über steigende Preise gehalten werden kann. Was soll man als Laie dazu sagen?

Der Ölpreis ist kein Marktpreis, an ihm wird politisch gedreht. Wenn dieser Preis im Weltmarkt steigt, wird es im Land die weniger Begüterten besonders hart treffen. Das sind in den meisten Staaten die breiten Wählerschichten. Welcher Politiker wird sich erlauben können, diesen Anstieg hinzunehmen, damit die Erneuerbaren konkurrenzfähig werden? Es werden Steuern gestrichen und subventioniert, damit die Droge Öl bezahlbar bleibt – aus mit der Steuerungswirkung! Das ist kurzfristig rational, und langfristig müssen andere die Rechnungen begleichen.

Eine Chance besteht in dem Zwang der großen Ölkonzerne, ihre Ölreserven als hoch auszuweisen. Die stehen nämlich in den Bilanzen, und wenn sie gestrichen werden müßten (weil nicht förderbar), hätte das einen Kurssturz auf den Aktienmärkten zur Folge. Es gibt also eine Tendenz, die Ölreserven höher anzugeben als sie sind. Wir könnten also dem Oilpeak sehr viel näher sein, als aus öffentlichen Quellen angenommen, dann käme die Knappheit über Nacht, wenn die Blase geplatzt ist. Das wäre ökonomisch sicher nicht gut, aber eine Chance für die Reduktion der CO2-Emissionen.

Eine weitere, unschöne Chance besteht darin, dass die Schwellenländer den großen Spruung nach vorne nicht schaffen (siehe Indien z.Zt.), die EU nicht so richtig hochkommt, die USA von ihrer Schuldenlast und Ungleichverteilung erdrückt werden, so dass eine längere Schrumpfung des Weltmarktes die CO2-Emissionen massiv reduzieren könnte. Dann bliebe das Klima berechenbar, dafür die globalen Sozialverhältnisse nicht mehr.

Fazit: Ich weiß es nicht, wie es weiter geht.

 

 

 
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