Onlineseminare im sozialwissenschaftlichen Unibereich sind immer noch selten. Insofern ist ein Blick in die Praxis ganz lehrreich. Ich führe im Sommerstemester an der Universität Gießen am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften ein virtuelles Angebot mit zwei Präsenzen zum Thema Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung durch. Das Seminar zählt methodisch zu den einfach materialbasierten Konzepten. D.h. zu Beginn der Woche gibt es einen oder zwei neue Texte auf der Lernplattform, die selbst erarbeitet werden müssen, und zu denen dann für das Wochenede eine Reflexionsaufgabe gestellt wird, die auf einen „Hausaufgabenordner“ auf der Plattform StudIP hochgeladen werden muss. Jeder Student erhält auf seine Arbeit (auch Gruppenarbeiten) ein kurzes schriftliches Feedback per Mail. In der zweiten Präsenz (letztes Drittel wurden die Teilnehmenden per Kartenabfrage nach positiven und negativen Erffahrungen gefragt. Hier das Ergebnis:
Inhaltlich wird moniert, dass die Aufgabenstellungen teilweise unklar sind. Die Aufgaben sind in der Tat offen formuliert, weil ich das selbständige Reflektieren durch zu enge Aufgabenstellungen nicht einengen wollte. Der Preis, manche Studierende überfordert das etwas, weil sie nicht genau wissen, was sie tun sollen.
Die Einschätzungskritik bezieht sich auf die vorgelegten Texte, da ist häufig ein Resümee enthalten, in dem der Autor eine eigene Bewertung abgibt.
Kommunikativ wird die fehlende Diskussion über die Texte dreimal genannt, und Onlinekontakte werden als schwierig erachtet (letzteres bezieht sich auf eine schlechte Internetverbindung im hessischen Hinterland). Es gab ein Forum zu den Sitzungen, das wurde halt kaum genutzt.
Hoher Arbeitsaufwand zweimal. Ja, Onlineseminare sind zeitintensiv.
Fünf Mal wird die freie Zeiteinteilung gelobt (obwohl die Studies meist erst am Samstag aktiv wurden, und die Aufgaben erst sonntags oder auch später hochgeladen haben).
Die regelmäßige Mitarbeit wird 3x gelobt. Das Seminar zwingt alle, jede Woche an jedem Thema aktiv zu sein. Das ist bei präsenten Seminaren meist nicht der Fall.
Die Verständlichkeit der Texte wurde gelobt. Ich habe mir Mühe gegeben, die zu finden. Ein Gefühl des „Vorankommens“ stellt sich ein, weil auf die Feedbacks reagiert werden kann, so dass sich Erfolge einstellen.
Also insgesamt scheinen die Studies diese Form doch ganz gut zu finden. Von einer Nichtakzeptanz der virtuellen Lehrform kann hier nicht geredet werden.