Kopflose Revolution

Aus revolutionäre Kunst Schirn-Ffm AusstellungZwischen den Cyber-Optimisten und -Pessimisten läuft seit dem arabischen Frühling eine Kontroverse über die Rolle der sozialen Netzwerke bei den arabischen (und anderen) Aufständen. Evgeny Mozorov, Blogger und Autor des Buches „The Net Dilusion – the Dark Side of Internet Freedom“ ist der wohl prominenteste Ablehner der Netz-Revolutionsthesen. Er sagt, es könne die revolutionären Gefühle hervorragend anfeuern – und ebenso gut die Revolutionäre auffliegen lassen. Es könne die Lügen der Regierung entlarven, aber auch im Blitztempo Propaganda verbreiten. Wer nach „Facebook-Revolution“ googelt, findet unzählige Links, die wohl in der Mehrheit inzwischen in Richtung Mozorow neigen. „Die Bedeutung des Internets und von sozialen Medien wie Facebook für die Aufstände in der arabischen Welt sollte weder kleingeredet noch überschätzt werden„, sagt ein Kenner der arabischen Verhältnisse. Die Sonntaz zu Ostern12 greift das Thema noch einmal auf und legt m.E. sehr plausibel mit der These nach, dass die  bekannten BloggerInnen um den Tahirplatz eher JournalistInnen als Agitprop-Typen waren. Die englischsprechenden Blogger, zweifellos die Intellektuellen der Revolution, waren interessantgerweise eben nicht die Leader, die sagten, wo es lang zu gehen habe, sie waren die BegleiterInnen, reflektierten, vermittelten zum Westen, versuchten die Entwicklung so zu zeigen, wie sie aus der Sicht Betroffener besser kaum zu dokumentieren war. So jedenfalls sehen sich nach dem taz-Artikel die Akteurinnen der Szene. Dort sagt Razan Ghazzawi „‚Soziale Medien + Revolution‘ ist das bescheuertste und nervigste Thema, das sich sogenannte ‚Experten‘ ausgedacht haben, die keine Ahnung haben.“

Der ägyptische Blogger Hamalawy wird zitiert: „In einer Diktatur ist Journalismus eine Form von Aktivismus„. Die einen erschießen, die anderen dokumentieren das Erschießen. Ein ungleicher Akt, der aber nicht wirkungslos bleibt. Das Problem kopfloser Revolten wird von der taz leider nicht angesprochen. In der Erhebung im Wegdrücken der Diktatur sind sie stark, weil kaum zu berechnen und massenhaft, aber in der Gestaltung der neuen Gesellschaft zerbröselt die Vielfalt der intellektuellen Meinungen, die Blog-Reporter können nicht mehr bündeln. In der Ostrevolte gegen die DDR-Diktatur hatte man noch einen starken Slogan, „wir sind das Volk“ gefunden, aber dann kamen die Apparatschiks der Westparteien und spülten die Runden Tische davon. Nix dritter Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus, es kam die CDU. Und bei der arabischen Revolte sieht es wohl auch so aus, dass erst mal die Muslimbrüder kommen, und leidlich viel Mittelalter hoffähig wird. Hoffen wir nur, dass über die Blogs so viel Sand ins Getriebe kommt, dass sich die Rennaisacne über das Mittelalter langsam durchsetzen wird.

 
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