Auf Internetplattformen sammeln sich Communities, und wer dort was hinterlässt, kann das unter seinem Namen tun, mit eigenem Bild oder mit Avatar, er kann es unter seinem Nicknamen tun, oder er kann, wenn die Plattform es zuläßt, überhaupt keine Signatur hinterlassen. Die Softwareentwickler haben dafür den Index „Anonymous“ gesetzt. Oft werden aus Schüchternheit unter der Maske Anonymität Beiträge gepostet, oder weil der Autor bewußt nicht erkannt werden will, was aber auch als Tarnung für bösartige Beiträge nutzbar ist. D.h. die Gemeinde der Anonymen ist allgemein ein schillerndes Häufchen. Seit einiger Zeit versteht sich aber eine Art Protestbewegung als Anonyme, die etwas Robin Hood like sich als Aufklärer, Enthüller gegenüber Wahrheits- und Freiheitsunterdrückung verstehen (vgl. Wikipedia). Das Symbol der Anonymen ist die Maske aus dem Film „V wie Vendetta“ (2006), in dem der Antiheld V eine böse Diktatur, die besonders die Medien und Pressefreiheit unterdrückt bekämpft.
Auf vielen Plattformen diskutieren „Anonyme“ z.B. http://www.whyweprotest.net/. Auch wenn hier im Forum alle schöne Nicknamen und wilde Avatars haben, wird doch betont, dass da nichts Illegales läuft. Die öffentlichen Anonymous-Plattformen sind eine Cyberprotestbewegung mit unterschiedlichen Themen. Damit die Themenvielfalt nicht zu groß (wir sind gegen alles) wird, weist man in der Netikette darauf hin, nicht neue Threads anzulegen.
Hier ein Beispielvideo, dass sich gegen die Internetzensur in den USA richtet, das auch als typische Anonymousaktion angesehen werden kann.
Man kann davon ausgehen, dass die jeweiligen Aktionen, die unter dem Namen Anonymous ausgeführt werden, von unterschiedlichen Gruppen sind, und dass es keine Struktur/Hierarchie oder Führung in dieser Bewegung gibt. Jüngste Aktion (Weihnachten 2011) war eine Hackerattacke gegen die Sicherheitsberatungsfirma Stratfor in den USA, die das Pentagon, Geheimdienste und die Rüstungsindustrie als Kunden hat. Ganz nebenbei wurden die Daten von Checkkarten entwendet und damit größere Überweisungen an Wohltätigkeitsorganisationen überwiesen.
Wie stellt man sich zu diesen Netzpiraten? Als die RAF ihren Irrwitz in Deutschland trieb, gab es einige „klammheimliche“ Sympatisanten, die bei späterem Nachdenken ins Zweifeln kamen. Nun bringt Anonymous keine Leute um, sondern hackt eben ein bisschen in fremden Rechnern von ungeliebten Organisationen, demonstriert schick vermummt, und verfolgt in Vielem kritische Ziele, die man als kritisches Subjekt voll teilen kann. Auch Bürgerinitiativen wie z.B. gegen die Castortransporte schlingern mit ihren kreativen Aktionen am Rande der Legalität. Brave Proteste werden von den Medien ignoriert, man muss schon irgendwo Dampf ablassen.
Jüngerer Dampf wurde z.B. durch die Veröffentlichung gehackter Daten von Neoaziorganisationen in Deutschland produziert. Unter nazi-leaks.net kann man Privatadressen und Namen öffentlich einsehen, von Kunden oder Mitglieder rechtsorientierter Einrichtungen. Die ganz feine Art, wie man da mit persönlichen Daten umgeht, ist das nicht, egal, was die entsprechenden Personen denken und was nicht.
Früher war vielleicht ein Hacker ein liebenswerter Nerd, der seinen ganzen IT-Ehrgeiz darin schulte, Sicherheitslücken in Hochsicherheitstrackten zu entdecken, dort einzudringen, um dann zu sagen, „I was here“. Heute, wie man hört, ist die Entdeckung von Sicherheitslücken viel Geld wert und es gibt weltweit operierende mafiöse Clans, die mit der Hackerei richtig Kohle machen. Vielleicht ist eine Anonymousaktion ein „Greenwashing“ von kriminellen Insidern, die etwas Gewissensentlastung brauchen? Mir ist jedenfalls bei den Anonymen nicht ganz wohl zumute. Eine soziale Opposition, die kein Gesicht hat, kann eigentlich keinen Rückhalt haben – oder? Kommentare erwünscht.
Hacken hatte immer diese zwei Seiten – es gab nie eine Zeit in der Hacker nur harmlos oder nur kriminell gewesen sind. Hacken zu können ist ein Skill, den man erlernen kann. Und Skills an sich sind nicht schlecht oder gut, es kommt nur darauf an wer sie wo einsetzt. Anon tut im Moment Gutes.
Hallo Axel, dass Hacken die zwei Seiten hat, ist sicher richtig. Ich meine aber, das Umfeld, in dem Hacken geschieht, hat sich gändert. Mir fehlen leider die Fachtermini, aber z.B. ein entdeckter Bug in einem Betriebssystem oder in sicherheitsrelevanter Software, gegen den noch kein Patch geschrieben ist, also eine „unveröffentlichter“ Fehler, wird zu hohen Preisen im Netz verhöckert, auch Viren, die als Schläfer in PCs geschleust werden, und auf Bedarf Spam verteilen, oder auch Angriffsoperationen gegen Seiten starten können, bringen viel Geld. Dieser Markt für kriminell produzierte und gehandelte Software war vor über 10 Jahren gar nicht vorhanden, d.h. der Antrieb, aus kommerziellen Gründen zu hacken, war viel geringer. Deshalb meine ich schon, dass sich Hacken heute und Hacken früher veräntert hat. Aber vielleicht täusche ich mich da aus Unkenntnis über diese Vorgänge, und romantsiere nur die Vergangenheit.
Aber Herr Apel ein so einseitiger Artikel aus ihrer Feder? Anonymus wurde ursprünglich als „Gruppe“ zur Bekämpfung von Scientology von unabhängigen Aktivisten ins Leben gerufen. Aus meiner Sicht hat das nichts mit „wieder gut machen“ zu tun wenn man versucht eine der gefährlichsten Organisationen Weltweit einen Riegel vorzuschieben.
Hallo Fidibus, so einseitig finde ich meinen Artikel gar nicht. Als digitalen, zivilen Ungehorsam gegen soziale Missstände und andere Schweinereien, kann ich Aktionsformen unter der Flagge „Anonymous“ gutheißen. Wenn dabei aber rechtlich vertretbare Maßstäbe überschritten werden, bin ich nicht mehr dabei. Ist das einseitig?
Gruß
Heino Apel
Ich persönlich finde die politische Willkür die z.B von den US- Justizbehörden im Rahmen von SOPA und PIPA ausgeführt wird ist schon eine Legitimation Gesetze zu übertreten. Allerdings hatte ich ihren Artikel so verstanden, dass Sie einen kriminellen Background der Aktivisten vermuten? Mein Kommentar sollte lediglich die implizierte Möglichkeit eines Generalverdachts gegenüber „Hackern“ entschärfen.
Mit wohlgesonnen Gruß
Fidibus
Hallo Fidibus, bin doch erstaunt, dass dieses Thema wieder um alle Ecken gezogen wird. Auch die Meinung, mit der Art der Einmischung sympathisieren zu müssen, ist kein Thema. Es sollte doch jedem klar sein, wer sich verkleidet, hat was zu verbergen, das nicht den Gesetzen entspricht. Hier scheint es mal wieder um den besagten Kick zu gehen. Soll hier das Gefühl der Wichtigkeit gefördert, oder macht hier nur die Unart, etwas in den Raum zu brüllen, Furore? Das wäre doch sehr bedauerlich. Mit dieser Art der Einmischung etwas erreichen zu wollen, ist sehr kurzsichtig gedacht. Es wird nur etwas veröffentlicht, was nicht sein darf. Heute redet keiner mehr darüber.
Hallo Herr Nüchter,
zu Ihrer ersten Aussage dachte ich bereits Stellung bezogen zu haben; ich persönlich verurteile eine Generalisierung die in Richtung Generalverdacht geht aufs schärfste, dass überlassen wir doch lieber Herrn Heveling.
Zu Ihrem zweiten Punkt , da sie von Unart sprachen, möchte ich um nicht in Polemik zu verfallen nur ein Zitat zur Seite stellen..
„Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergesslichkeit groß.“
Laut taz vom 17.7.12 gibt es ein spannendes Hackerbuch von Parmy Olson, „Inside Anonymous. Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands“. Das soll nah an der Szene sein, bezieht sich allerdings wesentlich auf eine abgespaltene Gruppe „hochaktivistischee Spaßguerilla-Truppe LulzSec“. Ihre These, es ist gar nicht ein Schwarm von Aktivisten, sondern mehr eine Handvoll Leute, die mundvoll den großen Schwarm votäuschen. Die Distributed-Denial-of-Service-Attacken kommen nicht von zig Tausenden, sondern wahrscheinlich von einem Bot-Netz (das sind eingeschleuste Trojaner in fremde Computer, die auf Befehl aktiv werden können, und meist Spam verbreiten). Die zweite These, es ist nicht politischer Aufklärungswille, sondern mehr Geltungsbedarf von Außenseitern und Minderjährigen, der zu den Attacken gegen PayPal, Sony und CIA führten. Die Rezensentin Meike Laaf bedauert allerdings, dass die Autorin nicht etwas kritischer gegen ihre eigenen Quellen vorgegangen ist, denn das Tarnen und Täuschen, und prahlerische Storytelling ist wohl Grundhandwerkzeugt der anonymen Netz-Aktivisten.
Ich kenne dieses Buch nicht nur muss ich an dieser Stelle anmerken, dass die Aktionen gegen PayPal; eine Aktion wgen der Sperrung der Seiten von Wikileaks; die gegen Sony; war eigentlich nur eine Vergeltung wegen dem rabiaten juristischen vorgehen Sonys in den USA (auch wenn es mittlerweile Gesetzte in den USA gibt die das aufspielen von cfw, Custom Firm Ware erlauben z.B. auf einem Iphone oder einer PSP, hat Sony verfahren gegen mehrere Programmierer angestrebt die dies ermöglicht haben).
Ich will dieses vorgehen nicht werten, allerdings sehe ich darin eine klare Politische Botschaft. Dort wo das Nationale Recht nur auf der Seite der Mächtigen steht kann sich Anonymous eben auch als Robin Hood aufspielen.
Ich benutze bewusst „aufspielen“ da ich ihrer Argumentation, wen auch nur eingeschränkt zu stimmen kann.
MfG
Fidibus
Hallo Fidibus, danke für den Hinweis, dem ich auch zustimme.
Das zitierte Buch ist mir etwas zu teuer, und so viel Zeit, mich in die Anonymous-Kultur einzuklinken, habe ich auch nicht. Dass viele der größeren Aktionen, auch z.b. die Hilfe für die Kämpfer für den Arabischen Frühling, bei der „Anons“ einzelne Vertreter geschult haben, wie sie ihre Identität im Netz verbergen können, und Netzwerke zur Verschleierung der IP-Adresse zur Verfügung gestellt haben, eindeutig politisch engagierten Hintergrund haben, steht wohl außer Zweifel.
Das Spannende für mich ist, wie es von der Spassguerilla und dem Lästern gegen Moralisten, und durchaus kriminellen Einzelaktionen, dann doch zu einer starken Polit-„Fraktion“ kommen kann, die wahrscheinlich auch nicht z.B. mit den Ralos als Untergruppe bei den Grünen vergleichen werden darf, sondern das kann in einer Person changieren. Zumindest bei den 68er Sponties gab es ein vergleichbares Phänomen, dass eine Aktion zuallererst auch Spass machen sollte, wobei einzelne Akteure auch schon mal aus Geltungssuch vor ihrer Freundin einen Stein in Richtung Bankfilialfensterscheibe geschmissen haben, was weder als legal noch als besonders revolutionär anzusehen ist.