Als early adopter habe ich bereits Ende der 90er an der Uni Marburg mit e-learning Angeboten bei den Erziehungswissenschaften Schwerpunkt Erwachsenenbildung angefangen.
Erster Versuch (1996): „Leute, wenn Ihr vertiefende Materialien haben wollt, dann schaut mal auf diese URL, da liegen Texte und da ist ein Forum zur Diskussion.“
Ergebnis: Niemand schaut auf die Texte, im Forum tote Hose.
Zweiter Versuch: „Wenn Ihr Euer Glück nicht wollt, dann muss ich Euch zwingen.“ Ganzsemestriges Online-Seminar auf meiner Homepage selbst eine kleine Plattform gestrickt mit Inhaltsblöcken, Foren und Mailingliste. 25 Interessenten zu Beginn, als die merken, dass mit wöchentlich gewünschten Beiträgen so ein Seminar richtig Arbeit macht, gibt es ein drop out von 70 %. Ein paar Begeisterte halten mir die Stange.
Etwas erfolgreicher, und vielleicht einmalig war (1999?) ein 14 tägiges Onlineseminar zum Thema „Stand der Umweltbildung“ ohne jegliche Präsenz. Das funktionierte wohl deshalb, weil die Teilnehmenden bundesweite Mitglieder der damals von mir moderierten „Umwelbildungsliste“ mit ca. 250 Teilnehmenden waren. D.h. die kannten sich und mich von den vielen Postings über fünf Jahre. So haben wir den recht zeitverzögerten Mailinglistendiskurs einfach ins virtuelle Seminar getragen, wo hauptsächlich auf Foren kommuniziert wurde.
Bis 2005 wiederhole ich einmal im Jahr an unterschiedlichen Universitäten zu unterschiedlichen Themen meine Onlineseminare. Ich werde professioneller, entdecke die Plattform Moodle, mit der ich bis heute arbeite, aber immer ein ähnliches Ergebnis, zu Beginn noch eine ganz nette Teilnahme, dann reihenweise Abbrecher. Die Studierenden werden besser, sie haben inzwischen alle von zuhause aus schnellen Internetzugang, sind eigentlich das Internet inzwischen sehr gewöhnt (2005 gab es allerdings noch nicht die sozialen Netze).
Einmal probiere ich an der Universität Dortmund den Einstieg ins Onlineseminar mit einer Wochenend Zukunftswerkstatt. Thema war Multimedia in der Weiterbildung, und die Studies sollten ihre Fantasiephase und auch die übrigen Phasen sehr mediengestützt durchführen. Das war spannend, alle lernten sich bei dieser Präsenz gut kennen, so dass ich glaubte, die kennen sich, die werden jetzt toll virtuell weiter arbeiten. Leider Fehlanzeige, auch diesesmal hohe Abbrecherquote, besonders die Frauen sind mir davon gelaufen.
Dann habe ich gedacht, ok, alles am selben Campus ist ja blöd, ich biete in Dortmund und in Giessen zum selben Thema ein Onlineseminar an, so dass im virtuellen Raum wirklich örtlich entfernte Studies waren. Das lief auch gar nicht so schlecht, es gab einen guten Austausch über die Studienbedingungen an den Unis und ich hatte als Methode mich mehr auf Projektarbeit gestützt, so dass die Gruppen „organischer“ zusammenarbeiten konnten. Es gab dann auch eine sehr schöne gemeinsame Abschluss-Präsens. Das hatte richtig Spass gemacht.
A propo Gruppenarbeit: Eigentlich ist eine Gruppenarbeit in einem Präsenzseminar eine einfache Übung. Der Leiter sollte eine präzise Aufgabe stellen, dann bilden sich Gruppen, die werkeln diskutierend 45 Minuten und erstellen am Schluss eine Spiegelstrichliste oder heute oft schon eine ppt mit ihren wesentlichen Ergebnissen, die in 5 Minuten vorgetragen werden. Nicht so im virtuellen Fall. Die Gruppen gebe ich als Leiter montags vor, weil der Findungprozess übers Netz viel zu lange dauern würde. Die Aufgabe steht auf der Lernplattform, und dann fangen die an, oder auch nicht an. Wer z.B. erst freitags zum ersten Mal auf die Plattform schaut, ist zu spät dran. Es passiert häufiger, dass ich donnerstags eine verzweifelte Mail bekomme, „in meiner Gruppe sind alle abgetaucht, niemand antwortet auf meine Mails“ – schlecht gelaufen, ich bekomme ein Arbeitsblatt von einem Gruppenmitglied. Falls die Gruppe zusammenbleibt, bekomme ich aber auch nicht immer eine Gruppenarbeit, sondern meistens unzusammenhängende Einzelstücke, nicht oder mühsam in eine Worddatei gepackt. Ein Ergebnis mit Gliederung, Hinweis, wer was gemacht hat, schön zusammenhängend – ist die große Ausnahme.
Ausserdem wird an der Gruppenarbeit meist zuviel gearbeitet, der Aufwand ist viel höher als im präsenten Fall.
Und dann hatte ich 2008 an der Uni Giessen ein online-Proseminar mit 60!! Teilnehmenden im Bachelor-Studiengang, erstes Semester, über 50% der Namen klingen nach Migrationshintergrund. Bachelor und brave Erstsemester heißt Pflichterfüllung. Die wollten alle einen Schein, was mir eine ganz geringe Dropoutrate beschert hat, und eine sehr fleißige Generation, die in diesem Seminar viel geschafft hat, und es bei der Evaluation um Weihnachten auch noch ganz gut fand. Warum?
Erstens, es gab Zwang, man muss dieses Seminar bestehen, um weiterzukommen. Meine früheren Seminare waren meist freiwillig, das Studium viel legerer organisiert. Zweitens ich habe aus meiner Erfahrung meiner frühren sehr kommunikationsorientierten Seminare gelernt, und bin etwas bescheidener und anspruchsloser methodisch/didaktisch abgestiegen, ich habe „materialorientiert“ gearbeitet. D.h. für eine Woche liegt ein Text oder ein spezieller Link im Seminarraum, dazu wird eine begrenzte Aufgabenstellung formuliert, und die muss bis Ende allein oder meist in Gruppenarbeit gelöst und hochgeladen werden.
Das ist offensichtlich für Beginner nötig, denn die Kids haben heute zwar bessere Internetkenntnisse und bessere Werkzeuge dazu in ihrem Hause, aber selbständig im Netz eine neue Fragestellung zu recherchieren, Quellen abzuwägen, daraus kritische Schlüsse zu ziehen, etc. das konnten allenfalls 20% der Studies.
Seit ein paar Jahren biete ich im Netzwerk Studienqualität Brandenburg e-Teaching Fortbildungen für die Lehrenden der Brandenburger Universitäten an. Es geht nicht um Softwareschulung, sondern um Überblickswissen zum e-Learning, zur Didaktik des e-Learning und zu Möglichkeiten, das Selbststudium mit e-Learning zu unterstützen. Die Hälfte der Angebote ist ausgefallen, und wenn eins zustande kommt, dann sind wir zwischen 6 und 12 Leutchen. Soviel zur Fortbildungsresitenz deutscher Professoren. Allerdings die, die kommen sind schon engagiert, und im Saldo ist es wohl so, es tut sich allmählich etwas im e-Teaching. An der Uni Frankfurt ist die sehr engagierte Claudia Bremer, die in mühevoller Kleinarbeit konstant einiges aufgebaut hat, wovon in Brandenburg noch keine Rede sein kann.