Videokonferenz als Lehrformat in Coronazeiten

Da an den Unis Präsenzen aus bekannten Gründen untersagt sind, hat sich der Einsatz von Videomeetings massiv verbreitet. Für die meisten Lehrenden und Studierenden ist es eine große Herausforderung, eine bislang präsent durchgeführte Lehrveranstaltung zu digitalisieren.

a) Die für Ungeübte einfachste, aber pädagogisch wohl schlechteste Lösung ist, die Lernenden mit Mails zuzuschütten, was offensichtlich z.Zt. noch verbreitet ist. Die Studierenden erhalten Skripte und Aufgaben per Mail geschickt, und sie sollen die Lösungen per Mail zurückschicken. Wenn das alle machen, führt das zu riesiger Mailflut, die nur mühsam mit über Filter gesteuerte Unterpfade im Postfach zu händeln ist. Gruppeninteraktivität kann man über Mailinglisten erzeugen, aber das ist umständlich und wird nicht von allen eingehalten, so dass viele Rückmeldungen nur 1-zu-1 zwischen Lehrender und Lernender geschieht.

b) Alle Universitäten haben „Seminarverwaltungsplattformen“, wo man schon vor Corona Dokumente für eine Veranstaltung zum Download bereitstellen konnte, Mitteilungen versenden und Foren einrichten und Umfragen anlegen konnte. Nach meiner Kenntnis wurden diese Plattformen wesentlich zur Datenbereitstellung, aber kaum zur Interaktion mit den Studierenden genutzt. Das rächt sich jetzt, wo es gut wäre, deren kommunikative Möglichkeiten zu kennen und zu nutzen.

c) Dozierende erzeugen einen Podcast oder ein Video von ihren ansonsten präsent gehaltenen Seminar/Vorlesungsvorträgen und verschicken die an ihre Seminarteilnehmenden. Das ist m.E. pädagogisch auch nicht sehr fruchtbar, weil die meisten Dozierenden keine Profisprecher und keine rhetorischen Cracks sind, so dass längere Anhören oder Ansehen solcher Produkte für die Studierenden mehr Qual als Lehrnfreude bereitet.

d) Da ist eben doch die Videokonferenz die pädagogisch sinnvollere Form des Ersatzes präsenter Lehre, weil dabei in kleinen Einheit vorgetragen werden kann, und bei guter Rückkoppelung durch die Zuschauenden auch ganz spontan eine Diskussions-/Klärungsrunde eingeschoben werden kann, und dann wird der Vortrag fortgesetzt. D.h. die aktive Stoffvermittlung und das reaktive Stoffverfolgen können sich da gut ergänzen, so dass man eine echt interaktive Lernsituation erzeugt. Die Lehrenden müssen auch keine Unterhaltungsmeister sein, es genügt, wenn sie gute, dynamische Folien erzeugen, die sie gut besprechen. Als Methodenwechsel kann der Vortragende, wenn er seinen Bildschirm für die Folienübertragung freigeschaltet hat, auch einmal eine Internetrecherche live vorführen, oder den Gebrauch einer Lernsoftware im Original demonstrieren, so dass man den Lehrenden bei der Arbeit zuschauen kann. Das ist lebendiger, als dasselbe als Screenshot im ppt-Vortrag zu lancieren.

Die Furcht, dass am Bildschirm Tohuwabohu geschieht, wenn 25 Teilnehmende dabei sind, ist nach meiner Erfahrung unbegründet. Studierende sind zurückhaltend, sie möchten sich nicht blamieren und sind häufig sogar so zurückhaltend, dass sie auch ihr Video abschalten. Der Vortragende schaut dann auf schwarze Kästen, die wie Grabsteine den Bildschirm füllen, hinter denen sich nichts regt, so dass auch nicht zu entnehmen ist, ober der Vortrag noch interessant erscheint, oder schon längst langweilt.

Ein Videomeeting ergänzt das mehr materialorientierte Lernen über Plattformangebote, wo über Foren auch zeitversetzte, fachlichere Diskussionen geführt werden können. Als Ergänzung braucht so ein Meeting auch nicht über eine volle 1 ½ stündige Seminarlänge zu gehen. Ich habe mit ca. 40 Minuten Vortragen inklusive Diskutieren sehr gute Erfahrungen gemacht, das hält man selber gut durch und auch die Studierenden sind nicht ermüdet. Ich habe das in Verruf stehende Zoom genutzt, das hat technisch relativ gut geklappt. Ich habe dazu technisch und inhaltlich gute Rückmeldungen erhalten.

Zu dem Problem der Videoabschaltung habe ich noch keine Lösung gefunden. Ein Kollege erzählte mir, dass bei Informatikstudenten in seiner Videokonferenz alle abgeschaltet hatten, und auch auf mehrmalige Aufforderung nicht aktiviert haben, was für den Vortragenden eine echt schwierige Situation ist. Das Persönlichkeitsschutzargument, man habe über das Video Einblick in die Privatsphäre, vermag ich nicht einzusehen. So wie jemand seine Kleidung zeigt, mit der er sich in eine Lehrveranstaltung begibt, so zeigt der Videoausschnitt, den die Webcam erfasst, auch nur den Teil der Privatsphäre, den er zeigen will. Meine Interpretation ist kritisch: Wer den Vorhang zumacht, tritt damit als Bildungsvoyeur auf, d.h. er konsumiert Bildung quasi als Fernsehzuschauer. Wer den Vorhang aufmacht, signalisiert, ich beteilige mich aktiv, ich bringe mich im Lernprozess ein, ich will meinen Lernprozess mitgestalten. Wer sein Gesicht wegschaltet, sollte gleich zu einer Lern-CD greifen, oder sich hinter einem Buch verschanzen. Mit modernem Lernen hat das nichts zu tun.

 
Dieser Beitrag wurde unter e-learning, Internet, Medien veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert