Klimagipfel in Paris

Der Weltklimagipfel in Paris beginnt am 30. November in Paris. Delegierte aus 196 Ländern kommen, 150 Staats- und Regierungschefs werden erwartet, 14000 Regierungsbeamte, Vertreter von NGOs und 3000 Journalisten sind auf dem Konferenzgelände Le Bourget bei Paris versammelt. Das Ereignis wird medial bestens begleitet. Alle Nachrichtensender, Zeitungen und Internetportale berichten nicht nur, sondern glänzen mit pädagogisch gut aufbereiteten Erklärungsmodellen zum Treibhauseffekt, zum Meeresanstieg, zu den politischen Herausforderungen, etc. wozu darüber noch bloggen?

Für die Vision einer „nachhaltigen Entwicklung“ (sustainable development) ist diese Konferenz ein wichtiges Zeugnis, wie die Politik und Gesellschaft mit der Zukunft der Menschheit heute umzugehen vermag. In Rio 1992 fand die erste globale Weltkonferenz dieses Typs statt. Damals einigte man sich auf eine schonende Weltentwicklung mit sehr weichen Formulierungen und verabschiedete neben anderen Absichtsdokumenten eine Klimarahmenkonvention, die auf die Analysen des bereits 1988 gegründeten UN-Klimagremiums Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) gründete. Gleichzeitig versuchte man, die Herkulesaufgabe einer zukunftsfähigen Weltgestaltung an die Bildung zu delegieren. Aus dem großen Ansatz, das gesamte Bildungssystem auf nachhaltige Entwicklung einzutrimmen (vgl. Kapitel 36 der Agenda 21, Rio 1992), ist ein winziges Bildungssegmentchen „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ entstanden, das in den Bildungsbereichen Schule, Hochschule, berufliche Bildung und Weiterbildung jeweils mehr oder weniger um 1% der Angebote dümpelt. Von einer ersten Weltkonferenz gleich global durchschlagende Entschlüsse zu verlangen, wo es gar keine wirkmächtigen globalen Gremien gibt, und die Mehrheit der Regierungen in den dafür zuständigen Vereinten Nationen aus Diktaturen und korrupten Regimen besteht, ist naiv, bzw. unpolitisch gedacht. Wichtig war bereits in Rio 1992, dass man sich überhaupt über alle Anschauungsgrenzen hinweg an einen Tisch setzte und gemeinsam um verträgliche Lösungen rang. Wichtig für Rio war auch, dass bei der Federführung der entstandenen und ratifizierten Dokumente zum ersten mal Nichtregierungsorganisationen mitschreiben durften.

Klimakonferenzen
Der erste Meilenstein, bei dem nicht nur Absichten verkündet, sondern auch Zahlen genannt und Strategien verabschiedet wurden, stellte die Klimakonferenz in Koyto 1997 mit dem Abschlussdokument des Kyoto-Protokolls dar, das 2005 in Kraft treten sollte. Die USA waren das einzige Industrieland, das dieses Abkommen nicht ratifiziert hatte. In den Folgekonferenzen (Bali 2007, Posen 2008, Kopenhagen 2009, Cancún 2010, Durban 2011, Doha 2012, Warschau 2013, etc.) stellte sich heraus, wie schwierig es ist, globale Einigungen zu erzielen.

Was steht an?

  • Ein wesentliches Problem besteht im legitimen Nachholbedarf der Entwicklungs- und Schwellenländer. Um sich aus Armut und Abhängigkeit zu befreien, ist in diesen Ländern ein industrieller Entwicklungsgang nötig, der nicht ohne Ressourcenverbrauch und großem Energiebedarf mit entsprechenden klimaschädlichen Emissionen zu haben ist. Wenn man diese Entwicklung klimaschonender möchte, dann bedarf es hoher Kapitalinvestitionen in erneuerbare Energien. In den Verhandlungen geht es um Finanztransfer, wo die alten Industrienationen, die seit einem Jahrhundert das Klima belasten, in der Bringschuld stehen, Investitionskosten in den Klimaschutz im Süden zu übernehmen, die bislang das Klima überhaupt nicht belastet haben. Es gibt diverse Modelle, wie man so etwas machen kann, aber am wenigsten weiß man wohl, wie man national die politische Zustimmung erhält, und wie man erreicht, dass die aufgewendeten Mittel wirklich dem Klimaschutz und nicht den Privatkonten der korrupten herrschenden Eliten zugute kommen.
  • Ein weiteres  Problem besteht in der jüngsten Vergangenheit im Verfall der Energie- und Rohstoffpreise. Viele rohstoffreiche Diktaturen finanzieren ihren unproduktiven Staatsapparat und ihre Wahlgeschenke an ihre gekaufte Klientel mit dem Rohstoffausverkauf ihres Landes. Je mehr die Preise fallen, um so mehr müssen sie exportieren, um nicht zusammenzubrechen, was weiter die Preise drückt. Mit billiger Kohle und alten Kraftwerken lässt sich noch eine ganze Weile preiswert den Energiehunger stillen, aber eben auf Kosten des Klimaschutzes. Auch die großen Energiekonzerne im Gefolge ihrer Regierungen und Gewerkschaften haben kein Interesse daran, dass die Weltmarktnachfrage nach fossilen Energieträgern zusammenbricht, denn das bedeutet nicht nur Einnahmerückgang, sondern auch Wertverlust der Reserven, die größtenteils in den bereits erworbenen Schürfrechten auf die noch nicht gehobenen Bodenschätze liegen.
  • Als drittes umstrittenes Problem kann man unseren Lebensstil anprangern. Im Mainstream ist das Wohlfühlen mit einer Verfügung über viele schöne Dinge, über viel Mobilität verbunden. Je mehr Du davon hast, desto höher ist Dein Status und Dein Selbstbewusstsein. Dieser Lebensstil globalisiert sich gerade, selbst die Saudis mit ihrer absolut mittelalterlichen Staatsreligion frönen dem materiellen Glücksstreben. Die klimagünstige Devise „weniger ist mehr“ fristet dagegen – wenn überhaupt – ein Nischendasein. Wer auf ein eigenes Auto „verzichtet“, weil es in einer stau- und parkplatzgestressten Großstand keinen Sinn mehr macht, der schont die Umwelt nicht, wenn er mit den frei gewordenen Mitteln mehr Fernflüge unternimmt. So gilt der triviale Schluss, je höher das Einkommen, desto größer die Klimabelastung auf persönlicher wie auf nationaler Ebene.

Bezogen auf Verbrauche und Emissionsmengen liegt der Löwenanteil der aktuellen Klimabelastung in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Selbst wenn die Bundesrepublik ihren Anteil an Erneuerbaren in der Energieproduktion in 5 Jahren verdoppeln würde, ändert das an den global viel zu hohen Wachstumsraten des CO2-Gehalts in der Atmosphäre spürbar wenig. Dennoch ist eine nationale Anstrengung nicht unsinnig. Die hoch industrialisierten Länder sind das Entwicklungsmuster für die Entwicklungsländer. Wenn bei uns gezeigt werden kann, dass eine Ökonomie auch noch blüht, wenn im ganzen Land keine fossilen Rohstoffe mehr verbrannt werden, dann wird das Schule machen.

Was tun?
Der globale Protest gegen zu wenig Klimaschutz hatte sich auf vielfältige, große Aktionen vorbereitet, das haben die kürzlichen Terroranschläge gründlich vermasselt. Die Hohe Konferenz findet im Hochsicherheitstrakt Paris unter Beschneidung der öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen statt. Ich betrachte den Aktionismus gegen Großtagungen skeptisch, je größer die Randale, desto weniger Raum wird in der öffentlichen Eventverarbeitung den Inhalten gegeben.
Politikschelte gegen Klimasünden ist leicht zu haben, ein Gegenmodell dazu sehr viel schwieriger.
Nehmen wir den deutschen Automobilbau. Aus Klimasicht ist ein leichtes, sparsames, modulartig kombinierbares Fahrzeug angesagt, dessen Materialien gut recycelbar sind, möglichst mit erneuerbarem Antrieb. Ein solches, lifestyl-abgespecktes Gerät kann in Afrika, Südamerika oder Asien zu geringeren Kosten als in Deutschland hergestellt werden. Der globale Durchmarsch dieses Autotyps wäre der Tod der deutschen Automobilindustrie mit ungeheuren sozialen Folgen, wenn das in kurzer Zeit geschähe. Nach ökonomischer Logik braucht Deutschland das PS-bepackte HighTech-Kultauto, das selbst einparken kann, lautlos schnurrt, mit dem Internet agiert etc. Wie soll dann unsere Kanzlerin in Brüssel als große Umweltschützerin auftreten, und die CO2-Begrenzungsmarken so hoch hängen, dass es Schluss ist, mit den deutschen Flaggschiffen auf den Straßen der Welt? Man muss sich über die VW-Ingenieure aufregen, die mit betrügerischem Aufwand den wahren Emissionsausstoß verschleiern. Zugleich sollte man sich aber die Nachfragekurve nach ressourcenfressenden Limousinen anschauen, da sieht man den Druck von der wohlhabenden Straße auf unsere Autopolitik.
Es heißt, richtiges handeln in falschen Strukturen sei unmöglich. Dagegen gilt, falsches Handeln produziert falsche Strukturen!

Also, klimastrategisch gewendet ist das kleinere Auto oder gar kein Auto, ein Fernflug weniger und dafür mehr Nahentdeckung, das richtige Handeln, das die Republik verändert, andere Politiken produziert.
Gut ist, dass bis auf die Republikaner der USA kein politisch relevanter Akteur weltweit die menschliche Verantwortung für einen rasanten Klimawandel mehr bestreitet. Auch wenn das Schlussdokument mager ausfallen wird, Paris ist als Erinnerungsspektakel notwendig. Unsere Enkel können nun sagen, Ihr habt es gewusst, warum habt ihr nicht gehandelt? Vielleicht handeln wir ja doch noch und lernen einzusehen, dass ein klimafreundlicher Pfad keine Verzichtsgasse, sondern eine Gewinnpromenade sein kann.

 
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