Narrationen der Nachhaltigkeit

Im kubischen Konferenzbau der Schader Stiftung in Darmstadt wurde zwei Tage lang mit Journalisten, Medienwissenschftlern, NGOs und Umweltschützern diskutiert, wie man gute Geschichten zur Nachhaltigkeit erstellen kann. Das nennt man Storytelling zur Nachhaltigkeit oder besser noch Sustelling, womit das „sustainable“ der Entwicklung einverleibt wird. (vgl. Grüner Journalismus)

Damit alle wissen, worüber geredet wird, führte Professor Seeger von der Hochschule Darmstadt die Meilensteine der nachhaltigen Entwicklung vor. Er ging vom Handlungsrahmen der Ökonomie, Ökologie und Soziales aus. Nutzte das Trichterbild, nach dem zwangsweise bei der Endlichkeit unserer Ressourcen sich Rohstoffe verknappen müssen. Die angesprochenen Lösungen sind mehr Effizienz, besonders aber ein anderer Lebensstil (weniger ist mehr). Dieses neue Leitbild wurde im Brundtlandbericht und in Rio 1992 mit der Formel Sustainable Development umrissen. So zu leben, dass spätere Generationen nicht beeinträchtigt werden, ist eine abstrakte sperrige Forderung, die nicht leicht zu kommunizieren ist. Die Gedanken dazu seien schon lange vor Rio ausgesprochen worden, er zitiert Schumacher (Small is beautiful), Meadows (Limits to Growth), die Diskussion zum Bruttosozialprodukt (als falscher Indikator), etc. Es werden die Katastrophen Waldsterben, Ozonloch, Tschernobyl, und schließlich das enger werdende Zeitfenster für den Klimawandel aufgezählt, und es werden auch Erfolge benannt, das Ernerbaren-Gesetz, der Rückgang an Investitionen in Kohle und Kernenergie.

Auf die Medien bezogen spricht er 5 Empfehlungen aus:

– die Medien sind in der Defenzive, aber der Handlungsdruck steigt
– „Weiche“ Umweltthemen könnten „harte“ Umweltthemen besser ersetzen
– Es gibt weniger ein Informationes- als ein zielgruppenspezifisches Vermittlungsproblem
– Klimawandel ist bei uns angekommen, das eröffnet Chancen in der Berichtserstattung
– Soziale Aspekte kommen in der Berichtserstattung zu kurz.

Sein Beitrag war der richtige Einstieg in die Tagung, wenngleich ich die lineare Aufzählung von den früheren Öko-Meilensteine bis zur Klimaforschung nicht mag. Mit dem Brundtlandbericht, und dem Konzept Nachhaltigkeit ist eine deutliche Neuorientierung erfolgt, die zukünftige Welt wird nicht mehr als rein ökologisch determiniert betrachtet, sie muss politisch erstritten werden unter Rücksichtnahme auf wirtschaftliche und sozial-kulturelle Entwicklungen.

Einen für mich etwas chaotischen Überblick zum Netzwerk der beteiligten Institute und zur Schwierigkeit der Begriffe des Storytellings, zu den Problemen des Klimajournalismus, zu Online-Projekten an seinem Fachbereich hielt Professor Schäfer vom Mediencampus Dieburg (Hochschule Darmstadt). Sein Fazit: Wir werden viel über storytelling hören, aber das langt natürlich nicht, um die nötige gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu Nachhaltigkeitsthemen zu steigern.

Klar und für Laien wie mich sehr aufschlussreich war der Vortrag von Professor Carlo Sommer (Hochschule Darmstadt) zu den psychologischen Aspekten des Geschichtenverstehens.
Geschichten erzählen ist eine uralte Tradition der Wissensweitergabe. Wenn man Geschichte hört, beginnt man sofort, sie zu interpretieren. Das Verstehen erfordert Weltwissen (Schemata). Das Vorwissen bestimmt die interpretierende Wahrnehmung. Der Rezipient baut ein mentales Modell auf, mit dem er sich in der Geschichte identifiziert, und er begibt sich in die Geschichte (Transportation).

Die Wirkungsforschung kann nicht belegen, ob Wissen wirklich über Geschichten besser transportiert wird. Man erhöht bestenfalls Aufmerksamkeit zum Thema. Interessanterweise wirken Geschichten bei weniger Gebildeten und Jugendlichen mehr als bei Intellektuellen. Das kann begründet werden mit zwei Denkformen: das heuristische Denken (schnelles Denken in Geschichten) und das rationale Denken (langsames Denken im Sachbericht). Sommer weist auf eine Studie, die Langfristeffekte von Geschichten belegt hat. Der Rezipient vergisst die Geschichte, und denkt später,. Das das seine eigene Erfahrung sei, was natürlich wirkmächtig ist. Allerdings gibt es auch Verzerrungen, die Inhalte können sich verschieben (Stille-Post-Mechanismus).

Gute Geschichten reduzieren auf Überschaubares. Komplexe Sachverhalte lassen sich nicht so gut transportieren. Auf Klimageschichten bezogen heißt das für den Journalisten, er darf die nicht-narrative Sachberichtserstattung nicht aus dem Auge verlieren. Seine Empfehlung: Geschichten verstetigen (Wirkungszunahme), und sie sollten multiperspektivisch und auch transmedial sein.

Dr. Joachim Borner (Kolleg für Management und Gestaltung nachhaltiger Entwicklung gGmbH (KMGNE)) knüpfte mit seinen mehr assoziativen, wenig strukturierten Beitrag zu „Serielles und visionäres Erzählen als Moment des Lernens in Transformationen“ an der Verstetigungsforderung an. Seine These, es gibt kein Nachhaltigkeitsbild in der Alltagsvorstellung. Es braucht Narrationen mit Nähe zur Lebenserfahrung, ohne die es keine Entwicklung in der Vorstellung gäbe. Fiktionen sind sehr wichtig, damit an die fehlende „große Erzählung der Zukunft“ mit seriellen Erzählungen, die wechselnde (multiperspektivische) Inhalte haben, eine Annäherung erfolgen kann.

Nach diesen Einführungsrundumschlägen gab es eine Mittagssuppe und anschließend Projekt-Workshops. Ich entschloss mich für die Leuphania Universität Lüneburg „Wie wirkt Storytelling in der Nachhaltigkeitskommunikation?“ Über die Methode World Café bekam jede Gruppe einen journalistischen „Nachhaltigkeitsbeitrag“ zu lesen, der danach beurteilt werden sollte, ob, und was daran Storytelling ist, und wie der Bericht auf uns wirkt. Das war ein gelungenes Experiment. An unserem Tisch herrschte eine sehr unterschiedliche Einschätzung zur Story. Von „mich nervt diese schlechte Geschichte“ bis zu „mitreißender Protagonist, gut nachvollziehbar, vielleicht noch etwas verbesserungsfähig“. Auch definitorisch waren wir uns nicht einig. Für mich und andere war das eine Mixtur aus Story und Sachbericht, der Rest fand es genau richtig, in eine persönliche Geschichte Sachinformationen einzubetten. Eine weitere Kritik bestand in der ideologischen Ausrichtung. Darf eine Story nur die „gute“ Perspektive einnehmen, oder muss sie konträre Perspektiven aufzeigen? Im nachträglichen Input zum Projekt wurde bestätigt, dass auch in der Literatur kein einheitliches Verständnis zu Storytellung existiert. Die Lüneburger Gruppe um Prof. Fischer entschied sich für eine aus der Literaturwissenschaft entlehnten Definition. Im Projekt, das erst begonnen hat, werden Kriterien gesammelt, für wirksame Geschichten, die dann im Journalismus aber auch in der Bildung angewendet werden sollten. Das Bundesministerium fördert, und möchte gerne die bekannte Lücke zwischen Wissen und Handeln mittels der „Aufmerksamkeitsforschung“ schließen. Mein Eindruck (und Kommentar) war, man solle sich lieber auf „gute“ Geschichten konzentrieren, und die Wirkungsfrage eher vernachlässigen, denn Wirkungsforschung im Bildungskontext gebiert mit elephantenhaftem Aufwand in der Regel nur kleine Mäuse.

Nach der Kaffepause kam wieder ein Rundumschlag zu „Storrytelling im Spannungsfeld von digitalen Notwendigkeiten und nachhaltigen Normen“ . Dr. Henriette Heidbrink (Hochschule Darmstadt) erklärte noch einmal den Mechanismus von Erzählungen. Der Mensch ist ein homo narrans. Erzählungen können stark wirken. Seit den 90er Jahren ist Storytelling in der Literatur eingeführt. Anfang des Jahrhunderts wächst die Zahl der Publikationen dazu rasant an. Die allgemeinste Definition: Storytelling = Kunst des Geschichten Erzählens. Es braucht des Erzählhandwerks um gute Geschichten zu produzieren. Als allgemeine Faustregel gilt, starker Anfang, spannender Mittelteil und überraschendes Ende. Geschichten gehören zum „narrativen Wissen“ im Gegensatz zum „wissenschaftlichen Wissen“. Auch sie verweist auf das langsame und das schnelle Denken in diesem Kontext. Zur nachhaltigen Norm zählt sie, kognitive Dissonanzen vermeiden. Die Fans von Gegengeschichten lassen sich kaum erreichen oder gar überzeugen. Digitalisierte Geschichten potenzieren die Komplexität. Qualität ist erforderlich, ein Publikum zu finden. Wirksames Erzählen erfordert: – Bildung/Aufklärung, – Digitalisierungsstrategien, – Mehrheiten beschaffen. Ihr Fazit: Gute Erzählungen finden ein Publikum. Um überregional zu wirken, braucht es Plattformen, da müssen Geldgeber gefunden werden.

Vor dem Abendessen die obligate Podiumsdiskussion „Zwischen analogen Traditionen und digitalen Herausforderungen: Welche normativen Rahmen brauchen transformative Geschichtenerzähler?“ Die ProfessorInnen Beatrice Dernbach (Journalistik TH-Nürnberg), Christian Schicha (Medien, Uni Erlangen-Nürnberg), Jan Cornelius Schmidt (Philosophie, Hochschule Darmstadt) und Lars Rademacher (Onlinekommunikation, Hochschule Darmstadt) kommentierten die Tagesergebnisse. Folgende Stichworte fielen: Fiktive Narration in der Literatur unterscheidet sich von der Narration im Journalismus, wo es um Botschaften geht. Schicha weist auf eine weitere Wissenskategorisierung in: System- + Sachwissen, Orientierungs- und normatives Wissen, Handlungs- und Transformationswissen. Die Narrationen zählen zur 2. und 3. Kategorie. Die Frage „gute Propaganda“ (als Überwältigungsstrategie) wird befürwortet. Es gibt heute nicht mehr „den Rezipienten“ und „den Journalisten“, wir haben unterschiedlichste Medienformate und disparate Adressaten. Was ist eigentlich „Nachhaltigkeit“? Man darf die Adressaten nicht belehren wollen. Von philosophischer Seite wurde der Weg zur Nachhaltigkeit als ein Reflexivitätsprozess gesehen, den es seitens des Journalismus zu stärken gilt. Bei der Glaubhaftigkeit einer Botschaft spielt der Sender eine Rolle. Ein Film von Al Gore vermag natürlich mehr, als ein guter Film eines für die Nachhaltigkeit unbekannten Regisseurs.

Mit Rotwein und etwas Fingerfood und kommunikativen Steh-Tischgesprächen gestaltet sich das Abendessen, gefolgt von einem interessanten kulturellen Narrativ. Der Intendant des Staatstheaters Darmstadt (Karsten Wiegand) führt uns über eine Stunde (etwas lang) durch die Welt der Kunst mit der einfachen Frage: „Drin sein, oder von außen beobachten“. Bei Wagners Ring der Nibelungen liegt die Weltsicht vor, bei Verdi sind die Figuren in der Welt verwoben und handeln als Betroffene. Bei Heronymus Bosch (z.B. die Versuchung des heiligen Antonius) wird die Apokalypse gezeigt, das visionäre Untergangsbild. Antonius ist der Einzige im Bild, der den Betrachter direkt anschaut, sein Blick fragt: „was machst Du?“. Sich Einbringen ins richtige Handeln, dazu findet er viele Belege. Er erzählt konkret z.B., wenn ein Rauchmelder piepst, bleibt niemand im Flur und fragt nicht nach der „objektiven“ Klärung, ob es auch wirklich brennt, er rennt raus. Warum nehmen wir die Warnungen der Klimaforscher nicht ernst, und handeln sofort?

Ich fand es eine sehr gute Idee, die Nachhaltigkeitsperspektive aus der Sicht der Kunst reflektieren zu lassen. Aber insgesamt war mir sein Appell zu sehr auf das individuelle Handeln, die persönliche Einstellung ausgelegt. Nach dem Vortrag an einer Stehtischrunde spreche ich ihn auf das Bild mit dem Rauchmelder an, und meine, dass es zu einfach sei. Wer beim Rauchmelder raus läuft, den kostet das nichts, falls es ein Fehlalarm war, geht er wieder unbeschadet in die Wohnung. Wenn ein Land sofort aus der CO2-Emmission aussteigt, dann tut das richtig weh. Für viele Schritte zur Nachhaltigkeit gibt es keine Schnelllösung ohne gewaltige soziale Verzerrungen. Da müssen Übergänge bedacht werden, politisch zum Wandel Mehrheiten gefunden, etc. Manches Narrativ ist eben doch zu unterkomplex.

Der 2. Tag beginnt wieder mit einem weiteren Rundumschlag. Die Professorin Gabriele Dürbeck (Literatur- und Kulturwissenschaften, Universität Vechta) führt uns, trotz Erkältung in einem gut gegliederten Vortrag in die Welt des Anthropozändiskurses ein. (Sie hat dazu in einem DFG-Forschungsprojekt gearbeitet  ) Seit 2016 hat die Geological Society beschlossen, dass das bisherige Erdzeitalter (Holozän) als ein human-dominated geological epoch mit der Bezeichnung Anthropozän abgelöst wird. Die Begriffsgenese ist vielfältig, manche sehen den Beginn des Antropozäns vor 8000 Jahren, als der Mensch mit dem Ackerbau und der Besiedelung begann, andere nehmen das Industriezeitalter als Beginn und auch die erste Atombombenexplosion wird als Beginn gesetzt, weil die Menschheit damit zum ersten Mal ein Werkzeug in der Hand hat, den Planten für die Menschheit platt zu machen. Mit der Anerkennung des Menschgemachten wird eine Neuausrichtung de Mensch-Naturverhältnisses gefordert (Töpfer), es wird von der ethischen Verantwortung für den Planeten gesprochen. Die Anthropozän-Diskursen changieren zwischen zwei Bildern: der Mensch als Zerstörer und der Mensch als Gestalter. Die bekannteste populäre Darstellung liefert wohl das Technikmuseum München mit der Abteilung: „Willkommen im Anthropozän“. In der Rangfolge zählt die Referenten: 1. Brundlandt-Bericht, 2. Rio-Erdgipfel, 3. Anthropozän-Diskurs. Die Literaturwissenschaftlerin liefert uns noch eine neue Sicht auf Narrative:

  • das sind zentrale kulturelle Ausdrucksformen, die zur Selbstdeutung und Sinnstiftung beitragen.
  • der Mensch ist ein storytelling animal.
  • es liegt die Ubiquität des Erzählens vor
  • es ist ein Emplotment (nach Hayden White, heterogene Erfahrungs- + Wissenselemente, narrative Modellierung)

Aus der Literatursichtung zum Anthropozändiskurs werden folgende Narrative gesehen:

  • Katastrophen Narrativ
  • Gerichtsnarrativ (Technozän, Eurozän, Kapitalozän) mit der Frage, wer ist Schuld?
  • Große Transformation (die Gestaltungssicht)
  • Bio-Technologie Narrativ (die Biowissenschaften werden es richten)
  • Posthumanistisches Narrativ (der Mensch steht nicht mehr im Zentrum, das Verhältnis zur Umwelt muss neu bestimmt werden vgl. auch NatureCultures, oder Anthropozän-Projekt, Haus der Kulturen Berlin).

Im DFG-Projekt hat die Referentin journalistische Beiträge in den Zeitschriften FAZ/FAS, NZZ, SZ, taz nach ihren Narrativen analysiert. Das Fazit zeigt folgende Folie:

Der Vortrag irritierte mich bezgl. Der offensichtlichen Parallewelt zwischen dem Nachhaltigkeitsdiskurs des Rio-Folgeprozess und dem Anthropozändiskurs. Für mich folgt nicht nach Rio der Antropozändiskurs. Er scheint mir eher ein Teil davon. Rio hat seine Folgekonferenzen bis heute. Es gibt die Milleniumsziele, die auf dem Weltgipfel 2015 in New York verabschiedet wurden, das sind zwar auch nur Empfehlungen, aber immerhin stehen hinter diesem Diskurs 150 Regierungen, während der Anthropozändiskurs eine akademische Veranstaltung ist – oder??

Es folgt ein Praxisteil, es werden bis zum Mittagessen 7 Projekte vorgestellt. Studierende des Onlinejournalismus-Studiengang der Hochschule Darmstadt präsentieren medial aufbereitete Klimageschichten, die auf http://gruener-journalismus.de/ nachzulesen sind. Sehr anschaulich hat der Klimajournalist Bernahrd Pötter von der taz darüber berichtet, wie schwer es ist, Geschichten zur Nachhaltigkeit bereits in der Redaktion einzubringen. Am Beispiel eines Berichts zum Klimagipfel Bonn  illustriert er seine Erfahrungen. Er steht offen dazu, dem Leser die Thematik „unterzujubeln“, Klima oder Nachhaltigkeit sind Reizworte, die Abwehr signalisieren. Eine erfolgreiche Story erfordert genaues Hinschauen, lernen vor Ort, Glück, und dann eine Geschichte finden, die spannend ist, und Unerwartetes beinhaltet.

Der Redakteur, Carel Mohn, von Klimafakten.de wurde interviewt. Eine Fundgrube auch für die, die wissen wollen, wie man gute Geschichten hervorbringt.

Das Ehepaar Jens und Jana Steingässer präsentierte ihre Klimareise mit ihren 4 Kindern quer um den Globus. Nicht ohne Stirnrunzeln folgte ich der anmutigen Reisegeschichte mit Klimaaufllärungsabsicht. Muss man mit 4 kleinen Kindern in die Kälte nach Grönland reisen, um dort zu erfahren, dass das Eis zurückgeht, die Jagdzeit für Robben zu kurz, so dass die Schlittenhunde verhungern und das Essen knapp wird? Nun ja, man kann. Der Reisebericht mit emotional gut gefüttertem Klimahintergrund hat viele erreicht, er konnte in die Boulevardpresse dringen. Eine Narration der besonderen Art.

Etwas diffus blieben mir die Projekte um das CCCLab (Climate Culture Communication Lab, Thomas Klein) und das KMGNE (Kolleg für Management und Gestaltung nachhaltiger Entwicklung, Dr. Joachim Borner). Wortgeklingel wie „serielles transmediales Storytelling“ mit der Methode Bricolage (Claude Levi Strauss) stehen für multimediale Arrangements, bei denen viele Perspektiven und viele Medienformate im Puzzle zusammengefügt werden, wobei viel, viel keineswegs auch gut, gut bedeuten muss. Ich habe keinen Nachweis gehört, ob damit mehr und lustvoller gelernt wird. Von den für die Bildung für Nachhaltigkeit zentralen Gestaltungskompetenzen war gar keine Rede.

Abschließend am Nachmittag besuche ich den Workshop „Welche (multimedialen) Erzählformen braucht die Nachhaltigkeit?“ Dana Giesecke moderiert von Torsten Schäfer stellt das mit Harald Welzer entwickelte Projekt/Stiftung Futur Zwei vor, wo seit Jahren Geschichten des Gelingens gesammelt werden. Es gibt jedes Jahr einen Almanach, wo die inzwischen 300 Geschichten nachzulesen sind, und in Kooperation mit dem Goetheinstitut werden inzwischen auch mehrsprachig, international solche Geschichten gesammelt (Futureperfect). Die Protagonisten dieser Storys werden auch „Pioniere der Mikroaktivität“ genannt. Bezogen auf die Wirksamkeit diskutierten wir einen für die Tagung m.E. zentralen Punkt, der Storytelling-Ansatz ist liberal individualistisch. Die Hoffnung, dass Einzelne mit ihrem (richtigen) Handeln in (falschen) Strukturen, den Weltgang verändern können, trägt nicht. Einzelne können Nischen aufbauen, das ist wichtig, aber wie kommt man aus der Nische heraus? Diese Frage stellt sich Futur Zwei inzwischen auch. Eine einfache Antwort haben wir freilich nicht gefunden.

Farzit: Für mich war das eine gelungene, spannende Tagung, didaktisch gut aufgebaut, angenehme Atmosphere. Ich habe als Nichtjournalist viel gelernt. Aus der Beobachterperspektive fand ich etwas zu viel Storrytelling-Optimismus. Die harten Bedingungen, unter denen Journalisten in der Praxis heute arbeiten, sind mir als wichtige Rahmenbdingung zu kurz behandelt worden. UmweltjournalistInnen (wie die UmweltpädogogInnen) neigen dazu, den Adressaten bekehren zu wollen, das konnte ich an etlichen Beiträgen heraushören. Storytelling ist doch wohl mehr ein Aufmerksamkeitsweckungstool. Richtig hineingrätschen in nicht-nachhaltige Prozesse kann nur guter investigativer Journalismus – aber das war nicht Thema der Tagung.

 
Dieser Beitrag wurde unter Medien, Nachhaltigkeit veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Narrationen der Nachhaltigkeit

  1. Thomas Klein sagt:

    Lieber Heino Apel,

    es tut mir leid, dass mein Vortrag etwas diffus auf sie gewirkt hat. Es war mir sehr wichtig, die Sommeruniversität möglichst plastisch vorzustellen. Gerade „Wortgeklingel“ liegt mir im Übrigen sehr fern. Was die Verwendung der nun ja nicht ganz unbekannten Begriffe „Bricolage“ und „serielles transmediales Storytelling“ indes mit Wortgeklingel zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Ob mit unserer Methode mehr und lustvoller gelernt wird, probieren Sie vielleicht am besten selber aus und nehmen an der Sommeruniversität teil!

    Ich kann mich im Übrigen auch an keinen Vortrag erinnern, der es darauf anlegte, „Adressaten bekehren zu wollen“. Das haben die Vortragenden im Rahmen einer Konferenz wohl auch kaum nötig.

    Beste Grüße,
    Thomas Klein

     
    • HApel sagt:

      Lieber Thoms Klein,
      danke für den Kommentar. Über den Gebrauch von Begriffen/Zuschreibungen kann man unterschiedlicher Meinung sein. Hätten Sie gesagt, die Teilnehmenden arbeiten mit den Materialien, die verfügbar sind, wäre das m.E. weniger markig gewesen, als der Hinweis, dass mit der Methode Bricolage gearbeitet wird. Beim „seriellen transmedialen Storytelling“ sehe ich nur einen weißen Schimmel, denn transmedial bedeutet ja bereits, eine Story über verschiendene Medien zum Ausdruck zu bringen, womit das per se zumindest in der Rezeption nur hintereinander geschen kann, aber hintereinander klingt ja wieder sehr viel langweiliger als „seriell“ – oder? Ich empfinde auch – das wurde aber leider auf der Tagung nicht diskutiert, dass diese Begriffe eigentlich aus den Marketingabteilungen von Film und Fernsehen stammen, wo man eine Strategie hat, mit der ein Thema kommerziell über verschiedene Kanäle und über die Zeit durchgedrückt werden kann und soll. Im Journalismus, besonders im grünen Journalismus, ist ein Journalist froh, wenn er bei der Redaktion überhaupt hin und wieder mal ein grünes Thema setzen kann. Von serieller Zielgruppenbepflasterung kann da gar keine Rede sein.
      Aber die Tagung ist eine Weile her, sie ist mir nicht mehr so präsent – sorry, wenn ich da etwas falsch dargestellt habe.
      Mit freundlichem Gruß und viel Erfolg bei Ihrer Sommeruniversität
      Heino Apel

       

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert