Jarett Kobek, der gut situierte Wutbürger

Das jüngste bereits übersetzte Internetbashingbuch kommt vom kanadischen Autor Jarett Kobek und trägt den Titel: „Ich hasse das Internet. Ein nützlicher Roman“ (Fischer Verlag, Frankfurt 2016). Ich habe mir einige Rezensionen angeschaut, die mich nicht zum Lesen dieses Buches animiert haben.

Die Frankfurter Rundschau titelt ihre Rezension: „Ironische Abrechnung mit dem Netz“ (von Klaus Göpfert).Man erfährt, dass hier eine bissig, ironische Abrechnung mit dem Kapitalismus und dem Internet vorliegt, die für unterhaltsam erklärt wird.

Spiegel ONLINE 15.10.16, von Wolfgang Höbel: Referiert mehr anerkennend den Inhalt, weil das Buch im Selbstverlag von der New York Times hoch gelobt und ein Massenerfolg wurde. „Tatsächlich ist Kobeks Buch ein Reiseführer durch das Silicon Valley und durch den Technologiekosmos von Google, Apple und Twitter – und eine gut 350 Seiten lange Wutrede gegen die Menschheitsmanipulation durch große amerikanische Konzerne und die amerikanische Politik“

Einen Verriß liefert die taz am 24.10.16 von Adrian Schulz  „Dieser Text handelt von einem schlechten Roman. Dass er schlecht sei, behauptet der schlechte Roman, von dem dieser Text handelt, sogar selbst. Das macht ihn aber auch nicht besser….Statt Spannung aufzubauen, werden mit enzyklopädischem Eifer und dem Impetus eines YouTube-Kommentators sämtliche Verfehlungen der weißen, männlichen, heterosexuellen Mittel- und Oberschicht (und aller anderen Bevölkerungsgruppen) rekonstruiert, gesammelt und geordnet. “  Der Autor bezieht sich in seiner Kritik stärker auf die Stilform, Roman, wobei er die Figuren, blaß und simpel überhöht findet.

Bei der FAZ fand ich keine Rezension, dafür den Autor selber mit einem Gastbeitrag, den er als Rede zur Eröffnung der Buchmesse am Stand der FAZ gehalten hat. Titel: „Sie haben die bürgerlichen Werte in Trümmer gelegt„.

Man lese diesen Beitrag, und hat damit wohl die Quintessenz seines Buches. Es äußert sich hier ein Wutbürger der gehobenen Art, der als Oberkulturpessimist gegen so ziemlich alles schimpft, sei es der Neoliberalismus, die Globalisierung, gegen Eliten, gegen Linksintellektuelle. Alles ist scheinheilig, und das übelster Werkzeug in diesem Kontext ist das von den Großkonzernen Google, Facebook, Appel, etc. beherrschte Internet. Auch Kobek bezieht sich mit ein, sein Buch wurde von Maschinen gedruckt, die von ausgebeuteten, versklavten Arbeitern in der 3. Welt produziert wurden. Diese Rede ist vor Trumps Wahlsieg gehalten, und was die Einschätzung der scheinheiligen amerikanischen Linksliberalen, die sich vor allen für ihr eigenes Wohl einsetzen, anbelangt, und wie er die Trumpwähler einschätzt, darin liegt Kubek nicht einmal schlecht.
Dieses Pauschalbashing kommt beim Leser gut an, Kobeks Buch ist Bestseller, und die deutschen Rezensionen mit Ausnahme der taz sind wohlwollend anerkennend.

Sucht man nach der Lösung dieser vom Internet mit verursachten Weltuntmisere, dann preist Kobek die mit Gutenbergtechnik erstellte Buchproduktion. Wenn Lösungen kommen, dann nur von den Werken unabhängiger Buchhandlungen!? Ist diese Lösungsandeutung nur ein running gag, weil Kobek ja von Buchhändlern, die ihm den Flug von Kanada hier her bezahlt haben, eingeladen wurde, und er ihnen wohlfeil sein will? Jemand, der glaubt, eine sehr scharfe Gesellschaftsanalyse geleistet zu haben, sollte doch erkennen, wie stark der Buchbetrieb selbst von Netzwerbung, Onlinezuarbeit, etc. durchdrungen ist, und wie wenig Bedeutung heute das gedruckte Wort auf 350 Seiten am realen Gang der Geschichte noch hat. Naivität pur? Es scheint mir, dass Kobek weiß, mit Internetbashing und Kulturpessimismus kann man  gut Geld verdienen. Differenzierungen, und Abwägungen finden sich nicht im Frankfurter Text, es wirtd bloß gepoltert. Und das scheint im Buch insgesamt der Fall zu sein. Wenn schon AfD, Le Pen, Trump und Konsorten die Welt simplifizieren, dann ist ein linker Intellektueller schlecht beraten, diese Methode auf seine Gesellschaftskritik anzuwenden. Und darum kaufe ich mir sein Buch nicht.

 
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