Die verlorene Unschuld von Adblog?

Vorspann: Als „normaler“ Internetuser sollte/könnte man wissen, dass es für die Browser (Explorer, Firefox oder Safari) mit denen wir ins Internet gehen, kleine Zusatzprogramme (Plugins und Add-ons) gibt, die dem Browser zusätzliche Eigenschaften verleihen. Wer sich z.B. davor schützen will, dass beim Besuch einer Seite Manipulationen am Browser vorgenommen werden, über die die Seitenbetreiber Informationen von uns abziehen, kann  das Plugin No-Script installieren. Das hat aber leider Bequemlichkeitseinbußen zur Folge, weil auch beim Homebanking oder bei Ticketbestellungen übers Internet das Plug-in ausbremst, so dass man es per Hand temporär freischalten muss.

AdblockAdblock Plus  ist ein solches Add-on, das Werbebanner aus der Browserdarstellung ausfiltert, so dass wir relativ werbefrei surfen können. Es zählt zur open source, d.h. jeder kann es einsehen, und es kann kostenfrei bezogen werden. Auf der ABP Homepage wird behauptet, dass dies die beliebteste Browsererweiterung mit 200 Millionen downloads sei.

 

Zur Sache: In einem sehr langen Beitrag „Adblock Plus Zahltag – $30 Mio. von Amazon, Ebay, Google und Yahoo“ von Sascha Pallenberg (Mobile Geeks) inklusive Kommentare erfährt der Leser, wie das werbeverhinderne Add-on Adblock Plus für Browser eben doch „nicht aufdringliche Werbung“ zulässt, dafür Geld von den großen Werbekonzernen verdient, und dass mit dem Zulassen spezieller Werbung eine verzerrte Wahrnehmung entsteht, denn die bezahlten Platzhirsche können um so wirkungsvoller auf dem Bildschirm erscheinen, wenn lästige Konkurrenz ausgeblendet wird. Wer sich das Teil runter läd und installiert, kann allerdings unter „Einstellungen“ den Balken „Filtereinstellungen“ anklicken, dann sieht er im neuen Fenster ganz unten ein Häckchen bei „Einige nicht aufdringliche Werbung zulassen“. Dieses Häckchen kann man deaktivieren, dann ist auch diese Extrawerbung weg, aber leider wird beim nächsten automatischen Update das Häckchen wieder automatisch aktiviert.

Der Autor Pallenberg kritisiert heftig und ausführlich den Sachverhalt, dass die Betreiber einer open source Software, die aus ehrenamtlichen Engagement von vielen unbezahlten Unterstützern entwickelt wurde, Geld kassieren, für einen Service, den sie eigentlich abstellen wollen. Adblock rechtfertigt sich mit dem Hinweis darauf, dass bei so vielen Nutzern eine so aufwändige Pflege notwendig sei, dass das nicht mehr ehrenamtlich zu stemmen sei, dass man nach Einnahmequellen suchen muss. Und schließlich könne man ja als Nutzer die Ursache für die Geldquelle abschalten.

Hinter dieser Kontroverse steht die netzpolitische Frage: Wie halte ich es mit der Werbung – kann ich sie als Bezahlung der für mich sonst freien Nutzung von Internetdienstleistungen tolerieren? Eine gut funktionierende Open Source Software, die ständig gepflegt wird, und mehrere Millionen Nutzer hat, kostet Manpower, Serverplatz,  Büroräume. Zwangsläufig stellt sich dann die Frage nach dem Geschäftsmodell. Ich kenne keine Untersuchungen, welche Beiträge Entwickler von Open Source über Spenden einnehmen, ob sich damit leben lässt, oder nicht. Ich bin auch nur ein spärlicher Spender. Wenn man den Einfluss der digitalen Global Player eindämmen will, braucht man ein Bezahlmodell. Und es braucht eine Akzeptanz fürs Zahlen, die Transparenz voraussetzt.

Ich habe mich lange gefragt, was ist so schlimm an der Werbung? Man kann sie doch ignorieren!? Ich persönlich bin in meiner Jugend antikapitalistisch sozialisiert. Werbung war mir immer ein Gräuel. Wenn sie im Fernsehen einsetzt, zappe ich reflexhaft ins nächste Programm (wo einem dann meist auch Werbung begegnet). Beim googlen ignoriere ich grundsätzlich den rechten Spaltenteil, wo die Werbung inzwischen kontextspezifisch erscheint. Ich will selbstbestimmt sein, und ich suche nur aktiv nach einem Produkt, aber ich lasse es mir nicht aufschwätzen. Google weiß von mir, dass ich resistent bin, denn es gibt von meiner IP-Adresse keine Klicks auf nebenher platzierter Werbung. Aber was ist, wenn Google zurück schlägt, und solche werberesistenten Typen schlechter und langsamer bedient? Oder, was bereits der Fall ist, dass bei meiner Suchanfrage bei den ersten Treffern bezahlte Produktangaben lanciert werden. Ich glaube persönlich, ich suche aktiv nach einem Produkt, dabei liefert mir meine Anfrage die Produktvertreiber zuerst, die bei Google bezahlt haben, d.h. ich bin bereits mit Werbung konfrontiert, wo ich es gar nicht merke. Ein Nebenprodukt der Werbung, die wir tolerieren, ist der Monopolisierungseffekt. Z.B. Amazon kann sich über die Internetwerbung ständig weiter ausbreiten und Konkurrenten ausschalten. Die hohen Einnahmen erlauben es dem Konzern, einen qualitativ hochwertigen Service zu bieten, den kleine Konkurrenten nicht  erbringen können. Es kommt der „Aldieffekt“, d.h. Produktanbieter werden gnadenlos gedrückt, wenn man erst einmal dominierende Marktmacht hat. Amazon ist inzwischen so stark, dass es mit seiner Ankündigung, in den USA noch am Bestelltag ausliefern zu wollen, die gesamte Einzelhandelsbranche in Panik versetzt hat. Wo wäre Amazon ohne Internetwerbung?

So lange kein massenwirksames Gegenmodell bekannt ist, hilft nur das aufgeklärte Surfen. Es hilft nur, kritische Medienbildung, kritische Konsumbildung, die einen Einblick, und damit ein reaktives Handeln im Reich der Daten erlauben. Ich kann den Adblock-Entwicklern nicht verdenken, dass sie ihre Marktchance nutzen, wenn sie das – zwar versteckt , aber eben doch noch zugänglich, – dem Nutzer transparent machen.

 
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Eine Antwort zu Die verlorene Unschuld von Adblog?

  1. Pierre sagt:

    Die Aufregung um Adblock habe ich auch mitbekommen und war ein Bisschen enttäuscht. Auf der anderen Seite: Werbung ist in der Wirtschaft unverzichtbar, sie sollte einfach nicht so aufdringlich sein, dass sie alles so zubombt wie in den Frühzeiten der Flash-Animation, Pop-Ups etc. Der Trend geht ohnehin in die Richtung, dezentere Werbung zielgerichtet zu verbreiten, Firmen wie Tradeers und Konsorten machen es vor. Ansonsten denke ich, dass der aufgeklärte Konsument heute ohnehin weiß, wohin er klickt bzw. was er wirklich gerne shoppen möchte, und wo es nur ein lustig blinkender Nepp ist.

     

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