Arbeitsfrei – durch Maschinenentwicklung?

Das jüngste Buch aus dem CCC-Kontext von Constanze Kurz und Frank Rieger lautet „Arbeitsfrei. Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen die uns ersetzen„. Es gab lobende Besprechung in der FAZ vom Sonntag und in der taz. Gelobt wird auch in der Netzpolitik.

Ich bin mir in der Einschätzung etwas unsicher und sehe das Buch etwas kritischer.

Das Inhaltsverzeichnis:

InhaltVon der Seite 19 bis zur Seite 241 wird ein durchaus spannender Technologiereport der jüngsten Entwicklung gezeichnet. Technikuninteressierte Leser werden diesen Teil schwerlich durchhalten, Technikfans wissen vieles und werden vielleicht aber auch manches Unbekanntere entdecken Z.B. dass in den riesen Hightech Korn-Mühlen trotz tausendfachen Tonnendurchsatzes jedes einzelne Korn von hochauflösenden Kameras gesichtet, beurteilt, und im Schadensfalle selektiert werden kann, ist schon faszinierend. Weshalb deshalb gleich mehrere Seiten der Historie des Mutterkorns gewidmet werden müssen, bleibt ein Geheimnis des Lektors. Fast nebenbei taucht der Begriff „Industrie 4.0“ auf, der mit einem kleinen Absatz erklärt wird, da wäre mehr Diskussion angebracht gewesen.

Bei den Maschinenbeschreibungen in mittelständigen oder auch gößeren Unternehmen fällt auf, dass meist humane Chefs zugange sind, und dass die freigetzten Arbeiter irgendwie gut untergebracht wurden. Die Frage, weshalb überhaupt so ein ungeheurer Technologietrieb erfolgt, wird m.E. etwas sehr dem ingenieusen Geist der Entwickler überlassen, so dass Fragen, warum gerade dieses und etwas anderes vielleicht nicht entwickelt werden, zu kurz kommen. Die geäußerte These, dass ein Mindestlohn die Technologieentwicklung nur weitertreibe, kommt mir auch zu marktabstrakt vor. Die Mindestlöhne in Deutschland im Friseurhandwerk, im Putzgewerbe, in der Gastronomie, etc. beziehen sich z.Zt. wohl doch nicht auf automatisierungsbedrohe Arbeitplätze. Auch die mehr selbstverständlich unterstellte These, dass mit der Automatisierung die Freisetzung der Arbeit insgesamt erfolge, scheint mir fragwürdig. Der Bundesrepublik scheint z.Zt. die Arbeit nicht auszugehen, Facharbeitermangel en masse trotz ständiger Automatisierung. Hier müsste – was leider im Buch nicht geschieht – die Verknüpfung mit Wachsum und die  Wirkung der Verlagerung von technologiebedingten oder kulturell bedingten Arbeitsanforderungen diskutiert werden. Z.B. im Maschinenbau ist meines Wissens seit langem eine Verschiebung des Anteils von Maschinerie zur Steuer- und Bedienersoftware im Gange. D.h. immer weniger Menschen sieht man an der „Hardwarefertigung“, aber in anderen Gebäuden oder Branchen sitzen eben die Leute, die für Steuerungssoftware, Schulung, Marketing, Logistik, etc. zuständig sind – wer will da die Bilanzierung für die Zukunft prognostizieren? Bei VW mögen die Fertigungshallen ziemlich menschenleer werden, aber der Konzern hat dennoch eine riesige Zahl von Angestellten  miteingerechnet diejenigen aller Zulieferer und Outgesourcten.

Im Prolog, auf den letzten wenigen Seiten kommt dann die große linke Keule heraus. Eine etwas merkwürdige Kritik am Bildungssystem (pfui der Massenbildung, es lebe die Eliteförderung, und Ingenieure brauchen Sozialwissenschaften..). Es wird Umverteilung gefordert und beklagt, dass die Automatisierung mit immer höheren Anteilen in Maschinerie und Netzwerktechnik zur Kapitalkonzentration führe, dass diese Prozesse nicht dem Markt überlassen werden dürften, und dass wir doch jetzt, anstatt Technik zu verketzern, endlich die Chance hätten, einer arbeitsfreieren Gesellschft entgegenzugehen. Mag ja sein, schön wärs auch, aber zur profunden Diskussion langen die paar letzten Seiten nicht.

 
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