Die Jagd – wie der Journalist Füller versucht, Cohn-Bendit einen Pädophilenstempel aufzudrücken

 

Taz- und FAS-Leser können mit fetten Lettern und Großfoto nachlesen, wie geradezu manisch der TAZ-Journalist Christian Füller Cohn-Bendit als Pädophilen verdächtigt. Der erste Anwurf erfolgte in der TAZ vom 19.04. (http://www.taz.de/!114644/), dann an vorderer Stelle (nicht im Feuilleton) in den beiden letzten Sonntagsauflagen der FAZ. Man braucht nur zu googeln, oder Herrn Füller auf Twitter zu folgen, wo überall noch Attacken geritten werden mit entsprechenden Leserbriefschmutzkübeln.

Worum geht es? Im Trikont Verlag ist 1975 das Buch „Der große Basar“ von Cohn Bendit erschienen, das Passagen zu seiner Kinderladentätigkeit enthält, die kontextfrei aus heutiger Sicht unerträglich sind. Der entsprechende Auszug ist allerdings keine Enthüllung des Herrn Füller, sondern war u.a. 2001 in der Emma abgedruckt worden (http://www.emma.de/index.php?id=2860). Im gleichen Zusammenhang schreibt Alice Schwarzer in der Emma eine umfassende Kritik an Cohn-Bendits Äußerungen zu seiner Vergangenheit, denn in Deutschland wurde wesentlich nur Joschka Fischer wegen seiner Gewaltbereitschaft zur 68er Zeit diskutiert, und in Frankreich war das Thema „sexuelle Revolution“ mit Dany an der Tagesordnung. (http://www.emma.de/hefte/ausgaben-2001/maijuni-2001/in-der-vergangenheit-liegt-die-gegenwart/). Frau Schwarzer beginnt mit dem Satz: „Selbstverständlich ist Daniel Cohn-Bendit, 56, kein Pädophiler.“ Sie macht genau das, was Cohn-Bendit während der Heuss-Preisverleihung gefordert hat, sie kritisiert die „Theorie“ bzw. das Gesagte, aber erhebt nicht den Tatvorwurf gegen die Person.

Fakt ist, dass auch nach jahrelangen sich wiederholenden Debatten und jüngster heftigster Füller-Recherche mit nächtlichen Anrufen bei ehemaligen Eltern kein einziger Zeitzeuge zu finden ist, der einen Grenzüberschreitungsvorwurf gegen Cohn-Bendit mit den ihn unterstellten Kindern erhebt. Es ist auch keineswegs so, dass ein Entlastungsbrief der Eltern als fälschlich entlarvt worden sei. Es ist zwar richtig, dass die Verfasserin des Entlastungsbriefes, Thea Vogel, selbst keine Kinder in Danys Kinderladen hatte, sondern zum Freundesumfeld gehört, aber es haben viele tatsächliche Eltern unterschrieben, und alle stehen heute noch zu ihren Unterschriften. Füller bezichtigt in der FAS vom 5. Mai die damaligen Eltern der Gesinnungsklüngelei, so dass ein uninformierter Leser den Eindruck gewinnen muss, hier sei ein ganzer Pädophilenclan am Werke. Das ist schon äußerst infam. In der FAS der Woche zuvor wird eine Sondernummer zur Sexualität aus dem Pflasterstrand als Zeugenschaft für Cohn-Bendtis unsittliches Verhalten aus der Vergangenheit hervorgeholt, dessen Mitherausgeber er war. Der Pflasterstrand war eine Alternativzeitung, die jeglichen Regeln seriöser Berichterstattung bewusst zuwider lief. Wie heute im Internet, konnte jeder Idiot, der sich irgendwie alternativ outete, darin seine Texte unterbringen. Die Redaktionsverantwortung nach dem bürgerlichen Gesetzbuch war hier ausgehebelt, um experimentierend ein unzensiertes Sprachrohr zu unterhalten. Der Preis der Freiheit dieses Blattes war, dass darin interessanten und dümmlichen, aber auch kriminellen Verlautbarungen Raum gegeben wurde. Neben bei bemerkt war der Pflasterstrand eine Journalistenschule ersten Ranges.

Was Füller hier treibt, ist übelster Schmierenjournalismus. Er hat nichts in der Hand, außer Kleinkram, wer wann welchen Brief dann vielleicht doch zu schnell in welcher Fassung abgesendet habe, und stellt aber ununterbrochen Cohn-Bendit in die Täternähe. Das bekannte Motto, dieses Genres: Du musst nur genügend Dreck schmeißen, da wird schon was dran hängen bleiben.

Dass es Pädophile gab, die bei der Gründung der Grünen, und eben auch auf der Plattform des Pflasterstrandes, und übrigens auch in den Spalten der taz versuchten, ihr Süppchen revolutionsverbrämt zu kochen, ist unbestritten. Aber seriöserweise muss man einen Unterschied machen, zwischen krankhaft veranlagten Trittbrettfahrern und den Hauptakteuren der damaligen links-antiautoritären Szene. Wie bei Alice Schwarzer nachzulesen ist, haben die damaligen Aktivisten im Zuge der sogenannten sexuellen Befreiung die Machtstellung Erwachsener gegenüber dem Kinde nicht gesehen – bzw. ignoriert. Auch wenn, wie in der Erzählung Cohn-Bendits, ein Kind aus unbefangener Neugier von sich aus an einem Hosenlatz zu schaffen macht, muss eine ganz klare verantwortete Grenze vom Erwachsenen als Schutzbefohlenem gezogen werden. Das sehen alle damaligen Eltern und auch Cohn-Bendit heute ebenso. Dass das in den ersten Jahren der „Alternativbewegung“ ein grenzwertiges Experimentierfeld war, kann man aus heutiger Sicht verstehen, ohne es gut zu heißen. Cohn-Bendit hat sich von den Buchstellen distanziert, er stellt sie als Fiktion oder Provokation dar. Alice Schwarzer wirft ihm vor, dass das ein Kneifen sei, und nicht genügend Verurteilung der fehlerhaften „sexuellen Revolution“, die damals kolportiert wurde. Auch dass Cohn-Bendt sich nicht zum Eklat um die Odenwaldschule geäußert hat, obwohl er in der Zeit vor Becker dort Schüler war, wird ihm besonders von Füller übel nachgeredet als weiteres Indiz der früheren Täterschaft. Für Cohn-Bendit wsar die Odenwaldschule seine Heimat, zu seiner Zeit sind keine pädophilen Fälle bekannt, das erschwert ihm, sich in den Chor der Gerechten einzureihen. Wir kennen das aus dem Islam, wenn aus den hirnrissigen Tätergruppen  eine Bombe gezündet wird, sollen sich die Islamverbände distanzieren, und sie distanzieren sich nie genug.

Ich habe als Kind (ich weiß nicht mehr, wie alt ich da war) auf dem Sofa verträumt an meinem Pimmel gespielt. Das muss mein Vater durchs Fenster beobachtet haben. Er kam ins Zimmer geschossen und hat mir eine so harte Ohrfeige geknallt, dass ich noch am Abend eine errötete Wange hatte. Das war die Sexualerziehung meiner Zeit, gegen die die 68er aufbrachen, um es anders zu machen. Leider gibt es keine Betriebsanleitung, wie die Alternative zur Sexualunterdrückung auszusehen hat. Das Ziel jedenfalls, Kindern mehr Freiheit zu gewähren, ihnen bei der Selbstbestimmung zu helfen, und mehr Zärtlichkeit als Gewalt in die Eltern-Kind-Beziehung zu bringen, ist nicht falsch gewesen und hat unser Eltern-Kind-Verhältnis kulturell insgesamt nachhaltig zum besseren verändert. Der Gestus, der jetzt mit der Jagd auf Dany als Kinderschänder durch gewisse Blätter rauscht, ist ein rückwärts gewandter. Mit dem, was an Aufklärung geleistet wurde, setzt man sich nicht auseinander, stattdessen wird eine persönliche Diffamierung versucht, um das Ganze zu diskreditieren. Schwer zu verstehen ist allerdings, dass ausgerechnet ein aus der linken Szene stammender Journalist hier so obsessiv zur Jagd bläst, obwohl ihm die Umfeldlage sagen müßte, da war nichts und da ist nichts. Beschwörend redet uns Füller ins Gewissen: „Warum hat niemand nachgefragt?“ Weil die Tätervermutung absurd ist – basta.

 
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14 Antworten zu Die Jagd – wie der Journalist Füller versucht, Cohn-Bendit einen Pädophilenstempel aufzudrücken

  1. Thea Vogel sagt:

    Lieber Heino,
    du fasst die Debatte sehr gut zusammen, schön, dass du dich so dezidiert äußerst. Aber an einer Stelle, die mich betrifft, stimmt deine Aussage nicht: Unser Sohn Johannes war sehr wohl bei Dany in der Krabbelstube. Deshalb konnten ich und Paul uns als Eltern so wie als Freunde ein Bild machen über seinen Umgang mit Kindern. Das war nicht die Uni-Kita in den 70er Jahre, sondern die Krabbelstube im Haus der Freien Schule Anfang der 80er Jahre. Außerdem wohnte Paul zu der fraglichen Zeit in einer Wohngemeinschaft mit Andreas Ulmke und Frank Landgraf (Kinder der Uni-Kita) und hatte deshalb Einblick in die Gepflogenheiten der Uni-Kita. Füller hat diese Aussagen von uns bewußt verdreht.

     
  2. Helga Schön sagt:

    Danke Heino, eine wirklich gute Zusammenfassung und Einordnung in diese Zeit! Ich fand die alten „Emmatexte“ eben auch noch einmal richtig lesenswert.

     
  3. Angelika Oetken sagt:

    Sehr geehrter Herr Apel,

    Herr Füller verdächtigt Herrn Cohn-Bendit nicht der „Pädophilie“, sondern stellt zur Diskussion, in wie weit Herr Cohn-Bendit sich pädokriminell verhalten hat. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

    Zum einen, weil nur ein sehr geringer Prozentsatz der Bevölkerung an der schweren Persönlichkeitsstörung namens „Pädophilie“ leidet. Und folglich die vielen pädosexuellen Straftaten von Menschen begangen werden, die schlichtweg kriminell handeln, aber in ihrer sexuellen Präferenz nicht auf Kinder fixiert sind. Zum anderen weil Herrn Cohn-Bendits Schilderungen auch im damaligen Kontext betrachtet auffällig erscheinen. Zu sehr ähneln sie den selbstverliebten Rechtfertigungen von Pädokriminellen, wie wir sie in einschlägigen Foren lesen müssen.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick

    P.S. Sie schreiben: „Für Cohn-Bendit wsar die Odenwaldschule seine Heimat, zu seiner Zeit sind keine pädophilen Fälle bekannt“… woher sind Sie da so sicher? Was heißt für Sie „bekannt“? Dass sie angezeigt wurden? Das wäre doch schon aufgrund der lachhaft niedrigen Verjährungsfristen unwahrscheinlich. Und Verleumdungsklagen riskieren? Wo unsere derzeitige Justizministerin mit dem langjährigen Lebensgefährten von Gerold Becker im Beirat der Humanistischen Union sitzt? Eine Art Leumundssuizid wäre die Folge oder?

     
  4. HApel sagt:

    Sehr geehrte Frau Oetken,
    das Wort pädokriminell habe ich bei Füller nicht gesehen, aber aus der Sicht eines Opfers dürfte es egal sein, unter welche Kategorie ein Sexualwissenschaftler einen Täter einordnen würde. Im Raum steht Behauptung bzw. Verdächtigung (der Täterschaft) von Füller gegen die mehrfach abgegebene Beteuerung Cohn-Bendits, dass seine Schrift Provokation war und mit Realität nichts zu tun hat. Ich habe ja in meinem Beitrag geschrieben, dass es zu dieser Zeit sagen wir nicht pädophile, sondern meinetwegen pädokriminelle Gruppierungen gab, die auf die Welle antiautoritärer Versuche, die bürgerliche sexuelle Unterdrückung durch neue Formen des Umgangs miteinander zu überwinden, aufgesprungen sind.
    Das Peinliche an Conhn-Bendits Provokationen besteht eben darin, und da gebe ich Ihnen recht, das sich das schon ganz ähnlich liest, wie wenn es aus der Feder solcher Täter käme. Da hat er Scheiße gebaut, und das auch bitter bereut.
    Woher nehme ich die Sicherheit, dass er kein Täter war? Ich kenne persönlich Eltern und deren Kinder aus dem besagten Kinderladen. Niemand setzt die unter Druck. In der linken Szene wird sehr viel getratscht. Wenn da etwas gewesen wäre, wäre es längst getuschelt worden. Sicher, eine Verleumdungsklage riskiert man nicht so leicht, aber mal so ein bisschen Andeutungen streuen, das kostet keine Zivilcourage. Doch es gibt auch keine Tuscheleien, nichts! Man weiss, dass bedrängte Opfer lange schweigen, und nicht darüber reden können. Als aber die Enthüllungen zu den Beckerfällen durch die Presse gingen, outeten sich immer mehr Opfer. Spätestens da wäre eine oder einer gekommen und hätte gesagt, da war was. Es ist aber niemand gekommen, und da muss ein verantwortlicher Journalist sein investigatives Temperament zügeln. Mit Null-Zeugenschaft darf man solche Attacken nicht reiten. Wenn Sie meinen, Danys Worte wären auch im Kontext ungewöhnlich, dann möchte ich Sie nur auf den unsäglichen Unsinn, den damalige intellektuelle Größen zum Kapitalismus, zur faschistoiden Bundesrepublik, zu Kambodscha etc. gesagt haben. Maßlose Verbalexzesse waren an der Tagesordnung. Vielleicht wollten sich die Genossen damit wichtig machen.
    Was denken Sie, wie sich der Sohn Cohn-Bendits fühlt, wenn ihn einer seiner Fussballfreunde anmacht und sagt, „Hey, Dein Papa war doch ein Kinderschänder oder?“ Aus sehr gutem Grund gilt in der Rechtsprechung das Prinzip, keine Vorverurteilungen zuzulassen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Heino Apel

     
  5. Angelika Oetken sagt:

    Sehr geehrter Herr Apel,

    2010 hat sich nur ein kleiner Bruchteil der 7 Millionen erwachsenen Menschen in Deutschland, die im strafrechtlichen Sinne als Kinder und/oder Jugendliche missbraucht wurden geoutet.
    Dass es überhaupt zu der entsprechenden öffentlichen Aufmerksamkeit kam ist der Hartnäckigkeit und der Zivilcourage von wenigen Menschen zu verdanken. Die verantwortungsbewusst gehandelt haben, da wo die meisten anderen ihre Oberflächlichkeit und ihre Feigheit hinter Ideologien und wohlklingenden Phrasen verbergen.
    Wer sich als Missbrauchsopfer outet riskiert seine Existenz. Immer noch. Das liegt nicht am einzelnen Opfer, sondern an der kollektiven Abwehr einer Tatsache: nämlich dass sexueller Missbrauch fester Bestandteil unserer Kultur ist. Über alle weltanschaulichen und religiösen Grenzen hinweg. Sehr viele Menschen machen entsprechende demütigende und entwertende Erfahrungen. Aber nur eine kleine Minderheit setzt sich damit auseinander.
    Heute erscheint ein Spiegelinterview mit Herrn Cohn-Bendit. Warten wir doch einfach mal die Reaktionen ab.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick

     
  6. Christian Füller sagt:

    Hallo Herr Apel,
    Vielen Dank für Ihren ausführlichen Blogpost. Sie hätten es kürzer machen können, wenn sie sich auf die Kernfragen konzentriert hätten:
    1) Ist Cohn-Bendits Basar-Text nicht Provokation, sd Programm der Kinderladenbewegung und Teilen der 68er gewesen. Es ist vollkommen abwegig, einen Memoirenband wechselweise als Provokation und/oder Fiktion darzustellen. Die ganze Anlage des Textes ist erinnernd. Lesen Sie einfach mal rein, dann erkennen sie das ganz schnell.
    2) Ich habe viele Eltern aus DCBs Kita gesprochen, keiner hat Cohn-Bendit auf den Realitätsgehalt seiner Hosenlatzgeschichte hin befragt. Mir ist der Atem gestockt, als Frau Vogel der Atem beim erneuten Vorlesen der Hosenlatz-Stelle stockte: Das ist ja furchtbar, sagte sie dann, wirklich schockiert. Kein Komma Ihrer Worte wurde durch mich falsch wiedergegeben, das ist auf pisaversteher.com für jedermann leicht nachprüfbar. Die Aktenrekonstruktion aus dem Grünen Archiv hat im übrigen erneut bewiesen: Der Persilschein für DCB war und ist ein Fake – genau wie die neuerlichen Entlastungsbriefe in den Leserbriespalten der taz. Wissen Sie, teilweise sagten die Befragten, sie hätten ein solches Papier niemals unterschrieben und schon gar nicht wissen wollen, um was es dabei ging. „Was glauben Sie, was man damals unterschrieben hat!“ Was also sind solche „Zeugen“ Wert?
    3) Selbstverständlich unterstelle ich Herrn Cohn-Bendit nicht, dass er pädophil sei. Ich versuche nur herauszuarbeiten, wieso er zu Gott und der Welt was zu sagen hat – aber auf diesem Gebiet, wo er durch seine pädophile Äußerungen für viele Jahre den Opfern das Reden und das Leben schwer machte, schweigt er, redet sich heraus und spricht von Vernichtung. Niemand will Cohn-Bendit vernichten, im Gegenteil, seit über zwei Jahren versuche ich ihn zum Sprechen zu bringen, auch weil mich Betroffene wie Frau Oetken darum bitten. Seinen Beitrag zur Herausbildung einer pädophilen Atmosphäre und öffentlicher Rechtfertigungsliteratur für sexuelle Gewalt gegen Kinder einzuschätzen, sollte die Untersuchungskommission der grünen Pädo-Vergangenheit sich vornehmen.
    4) Die Jesuiten hatten in Person von Pater Mertes den Mut, sich zu entschuldigen, nach weiteren Opfern zu suchen und ihre Fehler bedingungslos einzugestehen. Leute wie Sie und Thea Vogel produzieren seichte Persilscheine, reden sich ihre Geschichte schön und beschimpfen Aufklärer wie Opfer. Peinlich. Wofür stehen solche 68er eigentlich?
    Beste Grüße
    Christian Füller

     
  7. HApel sagt:

    Hallo Herr Füller,
    danke für Ihren Beitrag. Ich finde schon einmal gut, dass Sie Cohn-Bendit nicht für einen Pädophilen halten. Aber zu Ihren Ausführungen in 3.) kann ich nur sagen, halten Sie mal den Ball flach.
    Den Basar haben die Eltern aus dem Kinderladen nicht gelesen, das glaube ich Ihnen, aber ebenso darf man unterstellen, dass dieses Pamphlet im Lande im wesentlichen unbekannt ist, und insofern nicht die Wirkung haben konnte, die Sie unterstellen. Cohn Bendit hat sich immer von dem Text distanziert. Es gibt, wie im jüngsten Spiegelinterview nachzulesen, in Cohn-Bendits Leben nur zwei Anlässe sich provokativ des pädophilen Gedankengutes zu bedienen: der dämliche Text vom großen Basar und ein Interview in Frankreich, wo noch viel klarer Provokation am Werke war. Das können Sie doch nicht ernsthaft zur Grundlage machen, dass er damit „für viele Jahre den Opfern das Reden und das Leben schwer machte“.

    Ich habe Sie als Bildungsredakteur der taz insbesondere für Neue Medien immer geschätzt, aber jetzt in der Cohn-Bendit-Affaire vermisse ich ein maßvolles Urteilsvermögen.
    Wenn Sie schreiben, dass Sie viele Eltern gesprochen haben, die gesagt hätten, sie hätten das Papier nicht unterschrieben, dann glaube ich Ihnen das einfach nicht, nennen Sie Namen! Die Eltern, die ich kenne, stehen alle hinter Cohn-Bendit. Dass Ihnen kaum jemand ein Interview geben will, daran sind Sie selbst nicht ganz unbeteiligt. Vom Elternbrief, den Thea Vogel verfasst hatte, als Fake zu sprechen, ist ein Hammer. Der Brief fängt mit folgendem Satz an: „Als ehemalige Kinderladeneltern und Mütter und Väter, die über viele Jahre in Wohngemeinschaften mit DCB zusammengelebt haben..“ Da steht ganz klar, dass hier nicht nur die besagten Kinderladeneltern, sondern eben auch die aus den späteren Krabbelstube und aus dem Wohnumfeld von DCB unterschrieben haben. Diese Zusammensetzung sollte eigentlich ganz im Sinne Ihrer Wahrheitssuche sein, denn wenn man schon Cohn-Bendit der Anführerschaft pädophilen Denkens bezichtigt, dann sollte man sein Treiben über einen längeren Zeitraum verfolgen!
    Wo bitte schön ist hier ein Fake??

    Wofür die 68er stehen, haben Sie vielleicht selber vergessen. Ein guter Bekannter von mir ist als Kind von seinem Vater missbraucht worden. Ich kenne ihn seit der 68er Zeit. Wir wußten lange nichts von seiner Vergangenheit. Er bekam Probleme, machte eine Analyse, und langsam, noch vor der Odenwaldzeit outete er sich vorsichtig. Alle Freunde sind 68er, die dieses behutsame Outen mit Sensibilität aufgenommen haben. Keine Distanzen, Wärme und der Versuch ihm Geborgenheit zu geben. Glauben Sie, in einem niederbayrischen Dorf, fern der 68er, wo die Leute brav in die Kirche gehen, und ein hoher Prozentsatz CSU wählt, glauben Sie, dort wäre er so
    sanft integriert geblieben?

    Beste Grüße
    Heino Apel

     
  8. Herr Apel,

    Verraten Sie mir einfach mal, warum ich bei den Eltern lügen sollte? Selbstverständlich schütze ich meine Informanten und nenne deren Namen nicht, wenn sie den nicht frei geben. Also, nehmen Sie das mal als Fakt an: Der CB-Freibrief wurde irgendwo als Antwort auf Klaus Kinkel zusammengeschustert, ohne dass die Autoren die Tatsachen untersucht hätten und ohne dass Unterzeichner wussten, was sie taten. So etwas nennt man Fake.

    Im übrigen lesen Sie Fau Vogels Interview mit mir (http://pisaversteher.com/2013/04/20/ich-finde-das-unangebracht) Sie sehen darin, dass Sie sich inhaltlich von DCB meilenweit distanziert. (Und lassen Sie sich von Frau Vogel mal die Originalfassung zeigen, ehe ihr Text durch fünf Stunden ideologische Waschanlage namens „Autorisierung“ ging ;-)) Das war überhaupt erst der Anlass für meinen FAS-Text, der im übrigen dort landete, weil eine andere deutsche Zeitung diese unbequemen Fakten nicht drucken wollte. Frau Vogel also weiß, dass ein Erwachsener dafür verantwortlich ist, die Grenzen des Kindes zu respektieren. Lesen Sie gerne hier nach http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/grosser-kinderladen-brd

    Sie wissen, wie nahe wir in der Sache beieinander sind. Nur müssen Sie Ihr Idol wie ein tapferer kadavergehorsamer Soldat verteidigen. Diese schweißtreibende Sekundärtugend geht mir als Spätegborener ab. Nur hier ist Ihnen mal etwas durchgegangen, was ich den Kern der Sache nennen würde – der seltsame Sound des Großen Helden:
    „Das Peinliche an Conhn-Bendits Provokationen besteht eben darin, und da gebe ich Ihnen recht, das sich das schon ganz ähnlich liest, wie wenn es aus der Feder solcher Täter käme.“ (Heino Apel)
    Was bleibt nach diesem Dialog, Herr Apel? Meine Erfahrung aus der Odenwaldschule: Sie streiten, solange es um den Wald geht, um nachhaltige Entwicklung. Aber bei der sexuellen Revolution, IHRER sexuellen Revolution, nehmen Sie in Kauf, dass Leute unter die Räder kommen: Kinder, Knaben, KindFrauen.

    „Ja, so ist das mit revolutionären Zeiten. Es geschehen da Dinge, die man in friedlicheren – oder verklemmteren? – Tagen „unverantwortlich“ nennen würde.“ http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-ueber-den-fall-cohn-bendit-a-899438.html

     
  9. Angelika Oetken sagt:

    Sehr geehrter Herr Apel, Sehr geehrter Herr Füller,

    ich bin sehr froh, dass Sie hier so offen diskutieren, denn Sie haben beide ein paar Aspekte angeführt, die mir noch nicht so klar waren.

    Ich verfolge die Diskussionen um die Rolle der „Linken“ und „Humanisten“ bei der kollektiven Missbrauchsförderung und -vertuschung nun schon eine Weile mit. Vor allem aus der Perspektive der Opfer heraus, denn mit denen stehe ich in engem Austausch.
    Genauso wie ich Informationen zum Umgang rechtskonservativer Kräfte wie den Trägern katholischer Privatschulen mit Missbrauchsfällen an ihren Einrichtungen bekomme.

    Mein Fazit: es gibt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Leider im negativen Sinne. Die Idealisierung des Menschen, respt. gewisser Identifikationsfiguren überwiegt den Realitätssinn, das Verantwortungs- und Mitgefühl der Entscheidungsträger bei Weitem. Diesbezüglich tun sich Konservative und Progressive nichts.
    Der Jesuitenorden verhält sich im Grunde genauso wie der Träger der Odenwaldschule. In beiden Fällen viele schöne Worte, werbewirksame Maßnahmen, Beauftragte, Leitlinien, vordergründig wird die Bereitschaft zur Selbstkritik geäußert, hinter den Kulissen abgewiegelt, Opfer eingeschüchtert und verleumundet und es werden Beweise beiseite gebracht.

    So als ob diese angeblichen Idealisten selbst nie an das geglaubt haben, was sie propagieren. Sondern lediglich ein elitäres Gewölk fabrizieren. Um ganz pragmatische Absichten zu verbergen: Klüngelbildung, Vorteilsnahme, Postenverteilung.

    „MKS“ nenne ich dieses System. „Man-kennt-sich“. Es ist ein gesellschaftliches Erfolgsmodell. Das Umfeld des Aloisiuskollegs und das der Odenwaldschule sprechen was das angeht Bände.

    Die entsprechende Begleitkriminalität muss man auch nicht lange suchen.

    Gesellschaftliche Minibiotope. Ob sie zu Vorbildern taugen: eher nicht. Aber sie eignen sich für deren Anhänger zur eitlen Selbstbespiegelung und -vergewisserung.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick

    P.S. bei meiner Angabe oben, dass es 7 Millionen erwachsene Missbrauchsbetroffene in Deutschland gibt, habe ich mich übrigens verschrieben. Es sind 9 Millionen, 7 Millionen davon Wahlberechtigte

     
  10. HApel sagt:

    Sorry Herr Füller,
    ich glaube unser Dialog führt sachlich nicht weiter. Der Kern ist sehr einfach, Sie halten Textpassagen für fundamentales Schrifttum, das für die Pädophilensache wegbereitend sei, und sind journalistisch gekränkt, dass Cohn-Bendit Ihnen kein Interview gewährt, das ist Ihr gutes Recht. Deshalb sollten Sie mich aber nicht als Persilscheinaussteller und braven Parteisoldaten denunzieren. Ich sehe die Sache anders und will genau wie Sie nicht, dass Kinder unter die Räder kommen, und ich wiederhole mich, die 68er-Bewegung ist der Wegbereiter für eine Gesellschaft, in der Kinder es besser haben, als vor dieser Zeit. Und dass der Weg dahin nicht glatt war, hat der ebenfalls spät geborene Jakob Augstein besser formuliert als ich das kann.

     
  11. VON TÄTERN UND SCHREIBTISCHEN

    „Und dass der Weg dahin nicht glatt war, hat der ebenfalls spät geborene Jakob Augstein besser formuliert als ich das kann.“ (Heine Apel)

    Dieser Satz, werter Herr Apel, sagt alles über die Denke Ihrer Generation: es ist „nicht alles glatt gegangen“ bei der sexuellen Revolution. Das kann man wohl sagen. Allein im Odenwald hat es 400 bis 500 Opfer gegeben, wie der Hilfeverein Glasbrechen schätzt. Und das waren keine Opfer in Anführungsstrichen wie ihr Held Augstein sie gerne nennt.

     
  12. Angelika Oetken sagt:

    Sehr geehrter Herr Apel, Sehr geehrter Herr Füller,

    kaum etwas ist in unserer Gesellschaft so alltäglich und wird gleichzeitig so tabuisiert wie das Phänomen des sexuellen Missbrauchs.

    Gerade die Skandale über die innerhalb der vergangenen drei Jahre intensiv berichtet wurde zeigen, dass dieses Thema zu wichtig ist, um zuzulassen, dass es politisch oder weltanschaulich instrumentalisiert wird. Das ist geschehen und passiert gerade wieder.

    Ich bin deshalb eine absolute Verfechterin der unabhängigen Aufklärung. Durch eine vom Bundestag berufene multiprofessionelle Kommission. Denn jede Institution, jeder Verbund und auch jede Familie kann nur damit überfordert sein, Verbrechen in ihren eigenen Reihen nachhaltig aufzuklären.

    Dafür sorgt schon das erhebliche Maß an Dysfunktionalität, das vorhanden sein muss, damit Missbrauch „gelingen“ kann.

    Alle Beteiligten können letztendlich dabei nur gewinnen. Mit einer Ausnahme: TäterInnen und TäterunterstützerInnen wird es schlechter gehen als vorher.

    Möglicherweise erklärt das die Vehemenz mit der die Diskussionen teilweise geführt werden.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick

    P.S. von dieser Veranstaltung wissen Sie sicherlich schon http://beauftragter-missbrauch.de/course/view.php?id=30#aktuelles_hearing_4 .
    Passt hervorragend zum Thema

     
  13. Uncas sagt:

    Dann ist mal wieder alles klar, Schreibtischtäter und Memoirenschreiber sind keine Täter. Ideologen sind auch keine Ideologen und wenn mal jemand Steine wirft oder Kinderficken spielt, dann hab ich doch mit dem allem nicht wirklich was zu tun.

    Ich bin einer der Übeltäter, die versucht haben, diese vollkommen absurde, die zweite Preisverleihung an die Reformpädagogik durch die Theodor-Heuss-Stiftung zu verhindern. 2012 Wolfgang Edelstein, 2013 Daniel Cohn-Bendit und der ganze Laden durchsetzt mit Verantwortungsträgern der Odenwaldschule in den 70er und 80er Jahren und auch politische Verantwortungsträger heute, inklusive dem Runden Tisch zum Thema Missbrauch. Herausragende Persönlichkeiten: Null Empathie, null politisches Gespür, null Verantwortung. Anstatt Geschichtsprämien fehlt notwendiger Diskurs. Das wäre das Einzige auf was wir uns einigen könnten, Herr Apel. Angesichts der Tausende von Opfern, die sich gemeldet haben, angesichts dieses Aufschreis, erwächst da nicht Verantwortung heute?

    Ja, Kadavergehorsam war das richtige Wort. Ich habe an Cohn-Bendit geschrieben, dass eine Ablehung des Preises angesichts dessen, was man heute weiss, ihn mehr geehrt hätte, ja ihn sogar für den Preis in ein paar Jahren eventuell destiniert hätte, wenn er sich zudem der Verantwortung mit Bereitschaft, Arbeit und Solidarität gewidmet hätte. Kaum ein Mensch hat Cohn-Bendits Kopf gefordert, den hat er selbst in die Schlinge der medialen Trestermaschine gelegt. Das war auch politisch von derartiger Kurzsichtigkeit, so spontan, so Sponti, dass man sich fragen muss, wie so ein Mensch überhaupt in diese Politiksphären hochgeschäumt ist.

    Aber man muss das über Cohn-Bendit hinaus fragen: Özdemir sass und sitzt ja auch in der Theodor-Heuss-Stiftung, auch ein FDP-Urgestein wie Gehard Baum, auch die Justizministerin… Beklagen Sie sich nicht bei Füller, quatschen und streiten Sie mit denen, Ihresgleichen und warum die jetzt schreien, peinlich, peinlich, da lassen wir jetzt lieber den Cohn-Bendit fallen. So sieht’s doch aus! Und die Betroffenen, scheissegal. Na prima, wenn das heute auf 68er-Spielen darstellt, dann sind Sie doch die ersten, die ihre eigene Revolution, vor allem aber Prinzipien verraten haben…

    Pädophilen hört man gerne zu, bedauert sie jetzt auch gerne, ob ihres unausweichlichen Schicksals, betreibt auch gerne die ideologischen Spielchen für sie, aber die unzähligeren Opfer dieser „Opfer“, die haben Pech gehabt, werden durch diese Ausgrenzung a la Augstein zu Opfern zweiter Klasse.

    Kaum ein Betroffener verlangt Ungeheuerlichkeiten, wie Todesstrafe oder sonstiges für Pädophile oder Päderasten, sondern eine wirkliche gesellschaftliche Anerkennung, zuallererst als ernstzunehmende soziale Gesprächs- und Verhandlungspartner. Aber man vergibt halt lieber Preise und Auszeichnungen. Diese Ehrenrettung für eine Ikone ist peinlich, allzumal sich Cohn-Bendit mit seinem Oh-La-La-Verhalten in den letzten Jahren, wenn’s auf dieses Thema kam, selbst zum Abschuss freigegeben hat. (Oh-la-la-Videos gibt’s auch mehr als genug.)

    Wenn er noch was retten will, muss er hinabsteigen, von seinem Thron und sich dem Thema stellen, mit Arbeit vor Ort und Engagement in der Sache. Sie, Herr Apel, können also ruhig auch ein ernstes Wort mit Cohn-Bendit reden: zu Fragen politischen Verantwortungsbewusstseins.

     
  14. HApel sagt:

    Um weiterer Verflachung vorzubeugen, schalte ich jetzt die Kommentarfunktion ab. Auf meine Argumentation wird überhaupt nicht eingegangen. Die 68er sind Schuld an den Odenwaldvorfällen und Dany ist im letzten Kommentar ein Kinderficker. Und ich werde jetzt in den Tweets des Herrn Füller ein Dialogverweigerer sein, natürlich ein weiteres Schuldeingeständnis.
    Sorry, so nicht

     

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