Lost in Blogspace

Als freelancender Rentner habe ich in den letzten Jahren eine gewisse Zeitsouveränität dem Phänomen Internet mehr zu Leibe zu rücken. An meinem kurzen Blogarchiv verrät sich der Neuling, der ein gut bestelltes Terrain betritt. Meine Informationskultur bestand bis dato aus Zeitunglesen, Rundfunkhören und Tagesschau. So wie man bloggt, und irgendwie Land in der Blogsphäre sichten möchte, gehört die Internetlektüre zur wesentlichen Informationsaufnahme. Aber wo und was lesen? Google ich nach z.B. „gesellschaft blog“, dann beginnen bei mir die 16.000 Hits mit Blog zu Wissenschaft, zu informelles.de, und dann kommt schon der Alsheimer Blog. Google weiß offensichtlich, dass mich bald Alsheimer erwischt. Und im Sinne der Filterbubble werde ich mit Wissenschaft beglückt, aus der ich komme. Sehr hilfreich ist das nicht. In Blogverzeichnissen nachzuschauen (darüber habe ich schon berichtet) ist ebenfalls wenig produktiv, weil hier nicht nach Qualität gelistet wird (und wer sollte die Qualitätsurteile fällen?).

Also bleibt nur die tägliche Kleinarbeit entlang von gesellschaftsspezifischen aktuellen Internetthemen. Bloghopping. Du liest, schaust auf einen Kommentar (falls es ihn gibt) und springst zum Blog des Kommentators. Wenn auf Beiträgen mehrere Kommentare liegen, dann hat man es mit einer Bloggröße zu tun, wovon es nicht so viele gibt, so dass sich langsam ein Ersteinblick ermöglicht. Dann entdecke ich kollektive Blogs, also solche, wo mehrere Autoren sich zusammengeschlossen haben. Ist das schon eine Internetzeitschrift? Ist das eine Partei, die mitmischen möchte? Jedefalls bekomme ich mit, dass es da Platzverweise gibt. Gegen die Digitale Gesellschaft wettert ein Jörg-Olaf Schäfer in Netzpolitik (übrigens sehr lesenswert, weil hier ein komprimierter Überblick über die Entwicklung der netzploitischen deutschen Bloggeria gegeben wird). Wie ich dann merke gegen einen Mitautor der Netzpolitik ( Markus Bekedahl), der wohl in der Szene auch einen dicken Namen hat, und bei den Grünen vermutet wird. Schimpft hier ein Pirat gegen ein grünes Bloguboot, oder nur ein auf Netzfreiheit bedachter, der die Intransparenz im inner Circle anmahnt?

Im Kontext der ACTA-Debatten lande ich auf dem Keimform Blog, auch ein Kollektiv, das sich als meist Informatiker mit Philosophiestudium in prekären Berufsverhältnissen outet. Das könnten Piraten sein, man argumentiert jenseits der Marktwirtschaft und träumt von offenen Gesellschaften. Dann gibt es Blogsolitäre, da schreibt ein Experte, meist auch informatikangebandelt. In der Regel sehr gescheit, an Intellektuellen besteht da kein Mangel. Überhaupt, sind die politischen Blogger alles Informatiker, die mal besser Politik hätten studieren sollen? Wie habe ich es da in meiner Zeitungswelt einfach. Bei FAZ, taz, FR oder Süddeutsche, da weiß man woher der Wind weht. Wenn ein Artikel schlecht ist, hat eben die Redaktion versagt, aber die Ausrichtung hilft bei der Einrichtung beim Lesen.

Als Neuling in der Blogsphäre ist der Klick zum Impressum oder zum „about me“ ein häufiger Orientierungsversuch nach der Beitragslektüre. Offen für alles sein, überall mal rumstöbern – das hieße, PC-Junki zu werden, denn dann kann man von morgens bis abends vor der Kiste hocken, und es hört nicht auf . Das widerfährt mir allein beim netzstöbern. Nun soll ich aber doch auch am parlamentarischen Geschehen partizipieren, die Sitzungen im Stadtparlament verfolgen, an kollekiven Textwikis mitwirken, Filsharing betreiben? Kommentare zu Blogartikeln schreiben, selber Artikel verfassen?  Oh Gottogott, wann mache ich das bloß alles?

 
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