4. BilRess-Tagung (8. Mrz. 2016)

Als ich den Flyer, bzw. die e-Mail-Einladung zur 4. Netzwerktagung von BilRes: Bildung für Ressourcenscenschonung und Ressourceneffizienz zum ersten mal sah, habe ich den Kopf geschüttelt. Wie kann man ein so enges Fachfeld zu einer Bildungskategorie erklären, das eindeutig unter das Dach der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gehört? Auch auf der Homepage von BilRess  ist von BNE erst einmal nichts zu lesen. Es geht darum, mit einer Bildungsstrategie einen Beitrag zur Umsetzung der aktuellen Ressourcenpolitik in alle Bildungsbereichen zu leisten. Man will also offensichtlich nicht ein neues Bildungsfeld aufmachen, sondern einen fachlichen Schwerpunkt, der bislang im Bildungssystem und auch in der Öffentlichkeit mehr vernachlässigt ist, auf die Spur bringen.
Wer sich mit Nachhaltigkeit generell beschäftigt, weiß natürlich, dass wir unseren Rohstoffkonsum beschränken müssen, dass wir als exportierende Nation besonders viele Rohstoffe aus Gebieten beziehen, wo diese unter ökologisch und sozial katastrophalen Bedingungen abgebaut werden, und zudem noch den meist korrupten Staatschefs und windigen Rohstoffkonzernen die Kassen füllen. Aber welche Strategien gibt es, das genauer festzustellen, und ein Umlenken einzuleiten? Fehlanzeige, darüber weiß ich bislang sehr wenig. Das Verschwinden der Ressourcen bei anhaltendem Überverbrauch ist weniger sichtbar als der Klimawandel. Rohstoffpreise werden über Spekulationsbörsen gemacht und spiegeln nicht die tatsächlichen Gestehungskosten, so dass man an ihrer Entwicklung nicht deren Knappheit ansehen kann. Es gab bislang keinen Knappheitstornado, der die Welt aufgeschreckt hätte, die Prozesse sind der Öffentlichkeit im wesentlichen nicht zugänglich, weshalb es auch kaum ein „Ressourcenbewußtsein“ in der Bevölkerung gibt.
Das Wuppertalinstitut hat die Ressourcenfrage und ihren Zusammenhang mit wirtschaftlicher Entwicklung wohl federführend beforscht, so war es konsequent, es zum Projektträger von BilRess zu machen. Die Bundesregierung hat im Kontext ihrer Nachhaltigkeitsstrategie 2002 ein hehres Ziel formuliert. Sie möchte die Rohstoffproduktivität bis 2020 (bezogen auf 1994) verdoppeln. Unter Rohstoffproduktivität versteht man, wie viel Bruttoinlandsprodukt (BIP) je eingesetzte Tonne abiotisches Primärmaterial eingesetzt wird. Wenn also das BIP steigt, ohne dass wir mehr Rohstoffe dafür einsetzen, haben wir auch eine gestiegene Produktivität. Folgende Tabelle zeigt, was bisher in Deutschland passiert ist.

Rohstoffproduktivität
Nach der roten Kurve sieht es so aus, als hätten wir die Rohstoffproduktivität um 49% gesteigert. Ohne Inflation sieht das schon schlechter aus (blaue Kurve). Wenn man aber auch die Rohstoffe einberechnet, die wir mit den importierten Waren bezogen haben, dann verzeichnen wir einen Produktivitätsrückgang!
Im Bericht „Deutsches Ressourceneffizienzprogramm II“ des Umweltbundesamtes  wird für die Felder Rohstoffversorgung, Produktion, Produkte und Konsum, Kreislaufwirtschaft sehr gut dargestellt, was alles nötig ist und getan werden kann, wie hier die Effizienz, bzw. der Minderverbrauch angegangen werden kann. Politische Vorschriften oder wirtschaftliche Steuerungsmaßnahmen werden allerdings nicht gefordert. Das UBA bleibt hier gegenüber der Industrie und des individuellen Konsums in seiner Rolle des zahnlosen Tigers. BilRess soll es richten.

CarolinBaedekerDr. Carola Beadeker, Leiterin von BilRess referierte die vier Handlungsansätze:
– Informieren, sensibilisieren und aktivieren
– Lehrende und Lernende unterstützen
– Anreize für Projekte und Forschung schaffen
– formelle Verankerung im Bildungssystem vorantreiben.
Diese Punkte werden über Netzwerke in allen Bildungssektoren verbreitet.
KoraKristofDr. Kora Kristof vom Umweltbundesamt erklärte in ihrem Kurzbeitrag die oben schon angedeutete Ressourcenpolitik des frisch veröffentlichen Effizienzprogramms II. Interessant war eine Folie (ich finde sie nicht im Netz), auf der man den Anstieg des Materialverbrauchs in den letzten beiden Jahrzehnten sehen konnte, während die Lohn(stück?)kosten im selben Zeitraum gesunken sind. Diese Grafik signalisiert, hier liegt ökonomisches Einsparpotential, so dass man die Nachhaltigkeitsforderung mit Gewinnsteigerung koppeln könnte. Vom Publikum kam dann sogleich die Frage, warum man keine Ressourcensteuer anstrebe, die wäre doch ein glänzendes Druckmittel, den Primärmaterialeinsatz gering zu halten. Wie bei der CO2-Steuer konterte die UBA-Frau mit dem Standardargument, wenn das nicht alle machen, können wir das auch nicht machen.
Es folgten Positivbeispiele des Projektes und u.a. eine moderierte Diskussionsrunde zu Erfolgsfaktoren zur Umsetzung von BilRess, bei der mir nichts haften blieb.

HAP_3227Vor und während des Essens gab es eine Kunsteinlage. Ein New Yorker Künstler, der sich sofort von Trump distanzierte, fotografiert ressourcenschädliche Objekte in wunderschönen Fotos. Das soll als cognitive Dissonanz den Betrachter jenseits rationalistischer Überlegungen stimulieren. Die Lichtverhältnisse im Raum waren zu schlecht, um diese Fotos richtig würdigen zu können.
Nach dem guten Essen auf der edlen Empore des fein renovierten Gründerstilprachtsaales des Palmengartens mussten wir einen Vortrag des UNESCO-Büros zur Situation der BNE global und in Deutschland ertragen, der die institutionelle Nichtangebundenheit der Runden Tische der BNE-Dekade glorifizierte, anstatt sie zu tadeln.

ErfahrungLehrendeIm Schlussteil referierten Lehrende in Kleingruppen aus den Bildungsbereichen best practice zur Ressourcenbildung. In der Hochschulgruppe imponierte mir das Modell eines betriebswirtschaftlichen Bachelor und Masterstudienganges „Ressourceneffizienz-Management“ des Teams um Prof. Mario Schmidt. Die Philosophie: sie bieten einen echten Betriebswirt an, der ab der Hälfte seines Studiums den Schwerpunkt Ressourceneffizienz setzt. Es wurde viel Werbung bei der umliegenden Industrie gemacht, Praktikanten wurden vermittelt, so dass dieser Studiengang auch eine Akzeptanz bei den Betrieben fand. Die Frage, ob das für die Republik verallgemeinerbar war, wurde sehr vorsichtig beantwortet. Dem Professor war es gelungen, nicht nur den neuen Studiengang genehmigt zu bekommen, sondern es wurden vom Ministerium entsprechende Stellen bewilligt. Fazit: ohne politische Unterstützung wird es keine Ressourcenschutzbildung in größerem Maße geben.

 
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