Abschlusskonferenz UN-Dekade BNE

Die Dekade war international ausgerufen worden, um der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ im Sinne des Rio-Auftrags mehr Gewicht in allen Bildungsbereichen zu verleihen. Gemessen am hohen Anspruch von Rio, das gesamte Bildungssystem unter der Perspektive der Nachhaltigkeit aufzurollen, hat auch die Dekade nur einen ganz kleinen Schritt gemacht. Bei kritischer Betrachtung spielt in der beruflichen Bildung,  in der Hochschulbildung,  in der Weiterbildung, und in der Bildungsforschung BNE nur eine äußerst marginale Rolle. Zu dieser nüchternen Sichtweise wollte man sich aber auf der Abschlusskonferenz im ehrwürdigen alten Plenarsaal des Bundestages  in Bonn nicht durchringen. In den zahlreichen Redebeiträgen der Politik und Bildungsverwaltung herrschte „Politsprech“, man beschwor die BNE und den Nachhaltigkeitsgedanken als wichtigste Erscheinung im Bildungswesen. Und auch in den Workshopbeiträgen überwog die Sichtweise, das „Glas ist doch schon halb voll“.

Gemessen an dem, was in anderen Ländern zur Dekade erreicht wurde, ist die Bundesrepublik der Musterknabe. Während der Dekade wurden 3000 Bildungsprojekte aus allen Bereichen als Dekade-Projekte ausgezeichnet. Es gibt 500 (von 6000) ausgezeichnete Dekade-Schulen, es gibt 21 Dekade-Städte (dort erklärt man sich der BNE-Förderung für besonders zuständig).  Die Zahl derer, die in den Bildungsressorts von Kommunen, Ländern und Bund etwas von BNE wissen, hat erheblich zugenommen. Eine Konferenz, die so massiv Bildungspolitikern bis hin zur Ministerin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung das Wort erteilen durfte, hat es im BNE-Kontext noch nie gegeben.

Dek-MinisterinWenn etwas verändert werden soll, dann geht das nicht ohne die Politik, insofern war es gut, diese Präsenz zu haben. Unter dem Partizipationsaspekt war es leider eine bisweilen redundante Berieselung. Als Hauptzielgruppe zählen alle die Kinder und Jugendlichen, einmal fiel ein Hinweis auf lebenslanges Lernen, und im Grundrauschen geht es in der Politik darum, die BNE als Erziehungsmittel zum nachhaltigen (individuellen) Verhalten zu gebrauchen. Dieser stark normative Touch, wir wollen mit BNE die Werteeinstellungen zum nachhaltigen Handeln beeinflussen, durchzog auch viele Workshopbeiträge. Dass BNE mit dem Programmpapier von de Haan/Harenberg einmal angetreten war, die Zeigefingerpädagogik abzulösen, ist einer allgemeinen Euphorie, die Leute zum nachhaltigen Handeln bringen zu wollen, gewichen.

Die Bundesbildungsministerin, Frau Prof. Johanna Wanka, erfreut zunächst die Gemüter, dass sie in ihrer Rede die Finanzkrise als Folge nicht nachhaltigen Handelns erklärt. Aber dann kommt gleich die Wachstumskeule: 1 % weniger Wachstum bedeute für 20 Mill Menschen mehr Armut! Eine Differenzierung, dass die „armen Länder“ noch Wachstum brauchen, wir aber schrumpfen sollten, findet nicht statt. Bei allen rosigen Reden über den Siegeszug des Nachhaltigkeitsdenkens wurde kaum erwähnt, dass in jüngster Vergangenheit der Ressourcenverbrauch, und damit die CO2-Emissionen weltweit und auch bei uns massiv angestiegen ist. Die Ministerin warnte auch leicht, dass BNE nicht zu einseitig gesehen werden dürfe. Der Energiebedarf zukünftiger Megalopolistädte brauche Fusionstechnologie zur Energiebefriedigung, auch das solle BNE vermitteln. Man spürte noch in weiteren Aussagen die Feder der Hight-Tech-Forschungsressorts, die an dieser Rede mit geschrieben haben.

Der Kopf der Deutschen UN-Dekade, Gerd de Haan, war in seinem geschickt auch mit partizipativen Elementen (Interviews mit Schlüsselpersonen der Dekade) gestützem Resümee noch der Bedächtigere unter den Großrednern. Im Rückblick resümiert er:

  • Es ist mehr BNE in den Bildungsbereichen erkennbar
  • Erhöhte Einsicht in die Notwendigkeit von B in B-NE (Bildung)
  • Verstärktes Engagement in der Politik
  • Entstehung von Netzwerken vielfältiger Akteure
  • Mehr Würdigung der lokalen Ebens
  • „systemische“ Verankerung in der Einrichtungen voran gebracht
  • BNE hat neue Lernformen etabliert

Als Ausblick formuliert er:

  • mehr Strukturen bekommen (Bildungspläne, Standards, Q-Indikatoren)
  • Lücken schließen (berufliche Bildung, Hochschule, Lehrerbildung)

Die Redebeiträge und die Podiumsdiskussion wurden synchron wunderbar grafisch visualisiert:Dek-PosterDanach begann der Workshopteil, wobei die Dramaturgie folgend formuliert war: „Während der erste Konferenztag im Zeichen der rückblickenden Identifizierung von Gelingensbedingungen steht, widmen sich die Workshops am zweiten Tag der Erschließung von Aktionsfeldern und Commitments für die zukünftige Umsetzung von Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (http://www.bnekonferenz2014.de/konferenz/workshops/)

Die Workshops folgten auch in der Regel der Frage, was haben wir bislang erreicht, wie soll es weitergehen. Das vollzog sich in biederer Workshopdidaktik, viel Präsentation, etwas Diskussion. Das Präsentieren steht in der Regel unter Erfolgsdruck, so dass auch in den Workshops meist viel vom Wasser im Glas, und wenig von der verbliebenen Luft im Glas berichtet wurde. Die große Zauberformel für die Zukunft war das Wort vom Strukturen schaffen. Wobei ziemlich unklar blieb, welche Strukturen das sein könnten, bzw. wo sich dann einmal die Verbindungsknoten am Bildungstanker befinden werden.

Die Nachfolge zur UN-Dekade wurde bereits 2013 in Paris als „Weltaktionsprogramm“ beschlossen. Welche Rolle das für eine Strukturstärkung spielen kann, war allen Beteiligten mit denen ich sprach, unklar. Eine detaillierte Ausarbeitung steht noch aus. Mir schwant bei einem solch aufgeblasenen Namen nichts Gutes.

Ich habe den Workshop zur BNE in Volkshochschulen besucht. In Deutschland gibt es über 1000 Volkshochschulen mit einem riesigen, vieldisziplinären Bildungsangebot, eigentlich ein idealer Träger für BNE. Es gibt aber nur in einem Landesverband (NRW) einen rührigen Mitarbeiter, der sich um Projekte kümmert und bislang ca. 10 VHS um sich zum Thema BNE schart. Die Botschaft: Mache Mitarbeiterfortbildung und bilde darüber kleine Netze. Im Deutschen VHS-Verband gibt es eine Mitarbeiterin, die früher das Feld entwicklungsorientierte Bildung und heute entsprechend das Globale Lernen mit geringem Budget präsentiert. Sie war nicht gekommen. BNE und Erwachsenenbildung fast eine Ferhlanzeige. Das war wohl der kleinste Workshop. Besser bestellt war der Wokshop des Arbeitskreises Kommunen und BNE. Hier zeigte sich, dass die Auszeichnungsmotorik (erfülle einige Kriterien, dann geben wir dir ein Prädikat mit Fahne) gute Ergebnisse erzielt. Die Gemeinden, die sich für eine Auszeichnung bewerben, bauen darüber BNE-Netze in ihrer Gemeinde auf, förden damit die kleinen kommunalen Einrichtungen, und bringen den Gedanken nach vorn. Dazu müssen allerdings Überzeugungstäter in der Kommune viel Vorarbeit leisten, um die Kommune zu entsprechenden Beschlüssen zu bewegen. Ein engagierter Bürgermeister hilft mit. Man will weitermachen, braucht dazu aber auch Netzwerkstrukturen, die finanziert werden.

Im Forum zum Thema Forschung und BNE schien mir bisweilen, dass hier mehr über Nachhaltigkeitsforschung und wenig über Bildungsforschung geredet wurde. Es wurde auf die großen Forschungseinrichtungen verwiesen, wohin die FONA-Mittel des Ministeriums wesentlich fließen, aber deren Bildungseinrichtungen (IPN, DIE, DIPF) waren überhaupt nicht vertreten und waren auch nicht angesprochen.

Das Catering der Konferenz verdient Lob. Es gab kein Fleisch, nur Vegetarisches, fairen Kaffee, wenig Alkohol, es wurden einem auf Tabletts immer wieder Gläser gefüllt mit Wasser, Säften und Tees angeboten, ja, das geht auch!

Mein Resümee:  die Erfolge der Dekade braucht man nicht klein zu reden, aber wichtig ist es, zu den Defiziten zu stehen. Jeder hat natürlich seine eigen Sicht darüber, was fehlt. Mir war das alles viel zu jugendlastig, zu werteerziehend, immer noch zu umweltorientiert. Die BNE ist aus meiner Sicht nicht ein Instrument, das die Leute zum Weg zur Nachhaltigkeit bringt, sondern sehr viel bescheidener kann BNE Leute, die bereits auf dem Wege sind, professionalisieren, den Prozess einer nachhaltigen Entwicklung unterstützen, und dafür Support in allen Bereichen bereitstellen. Das braucht Strukturen, die eng an bestehende Strukturen angebunden sind. Jugendliche beziehen ihre Werteeinstellungen von Ingroups, in Blockbustern, in Spielen, vom sozio-kulturellen Umfeld, etc. aber nicht vom Biologielehrer, der ein BNE-Projekt moderiert.

Wer auch da war, kann im Kommentarfeld meine Sicht gerne ergänzen, oder ihr widersprechen.

 

 
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Eine Antwort zu Abschlusskonferenz UN-Dekade BNE

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