We are anonymous – Geschichtchen über Geschichtchen

„We are Anonymous: Die Maske des Protests – Wer sind sie, was sie antreibt, was sie wollen“ von Ole Reißmann, Christian Stöcker, Konrad Lischka, Goldmann Verlag Februar 2012.

Ich habe dieses Taschenbuch als Kindle-Version erstanden, weil ich mich etwas intensiver über die Anonymous-Bewegung informieren wollte. Die Autoren zeichnen den historischen Werdegang nach und füttern dabei den Leser mit unzähligen Detailstorys, die die schlichte Botschaft umranken:
– Anonymous kennt keine Hierarchie, und wenn sich eine andeutet, gibts Krach
– Anonymous changiert zwischen Lulz (Spasskultur) und Freiheitskampf,
– Anonymous changiert zwischen Flops und Prahlhälsen und imponierenden strategischen Leistungen
– Anonymous hat Regeln, aber nicht die heren der alten Hacker, und es kann sie auch übertreten.

Bestimmte Hacks tauchen häufiger auf, die Zeitskala wird auch nicht immer eingehalten. Man hat am Schluß den Kopf voll von auf die Dauer langweilenden Storys, aber wo ist ein Stück Analye, wo sind mutige Bilder, die einem dieses Phänomen näher bringen könnten? Ich habe mir aus diesem Story-Wust auch einiges rausziehen können. Wer über Hackerinstrumente wenig weiß, hat hier nebenbei ein kleines Kompendium. Das Chaotische der Bewegung (Kultur) kommt gut heraus, und dass auch mit geringen Hackerkenntnissen verbunden mit dem Risiko, von den Ermittlern geschnappt zu werden, Einbrüche geleistet und Webseiten zum Einsturz gebracht werden könnten, war mir nicht so bewußt. Die Stationen Spaßguerilla am PC mit der Anarcho-Webseite 4chan.org/b/, die ersten großen Aktion gegen Scientology, der arabische Frühling, Australien, Sony, etc. etc. und schließlich occupy, also das wachsende Engagement, wo die Moral über Lulz triumphiert (Qinn Norton, wired), wird brav und eben sehr breit abgehandelt, aber es fehlen Erklärungsversuche, und ohne diese hätte es auch ein viel kürzerer Text  getan.

Z.B. wird über die Details gut sichtbar, dass 4chan.org/b/ eine (fast) unzensierte Webseite ist, deren Inhalte von weißen jungen Männern kommen, die mehrheitlich sexistische, rassistische und in Teilen wiederliche Mobbingaktionen zelebrieren, dann wieder ganz humorvoll sein können, und auch erschrecken, wenn sie zu weit gegangen sind. Schön, bzw. nicht schön. Wer radikale Freiheit wählt, hat das Dumme, das Böse gleich neben sich, und das Gute kann auch vorkommen – wie entwickelt es sich dann scheinbar? Woher kommt das Organisationsgespür dieser Kultur, wie mobilisieren sie Viele, wie entstehen Konsense? – Das wären für mich die spannenden Fragen, die man sich bei diesem Taschenbuch selbst beantworten muss.

Wer sich über die Entwicklung der Anonymous informieren will, kann besser den Wikipedia-Eintrag lesen, der einen guten Überblick gibt. Philosophischer mit dem Versuch einer kulturellen Einordnung sind Artikel von Quinn Norton in wired.

Fazit: Dieses Taschenbuch bringts nicht richtig.

 
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Eine Antwort zu We are anonymous – Geschichtchen über Geschichtchen

  1. Fidibus sagt:

    Danke für diese Rezession.. hätte es mir fast gekauft.

     

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