40 Jahre „Grenzen des Wachstums“

Die FAZ widmet dem Geburtstag der Studie des Club of Rome (Limits to growth) eine ganze Beilage (S.41-46, 4.Mrz.2012), und wie nicht anders zu erwarten, tönt es neoliberal gegen den vermeintlichen Quatsch daher, das Wirtschaften künstlich begrenzen zu wollen. Der Autor Bernau beginnt: „Die These ist schnell erzählt: Wenn die Menschheit so weiterwächst wie bisher, dann stößt sie innerhalb weniger Jahrzehnte an ihre Grenzen. Meadows und seine Kollegen hatten die Rohstoff-Vorräte der Erde mit dem Wirtschaftswachstum und den Geburtenraten in viele Formeln gesteckt und von einem Computer die Zukunft berechnen lassen. Das Ergebnis war entmutigend“. Und folgert: „Ihre düstere Prognose passte gut in die Zeit. Die Achtundsechziger hatten gerade einen Wertewandel angestoßen, mehr und mehr Leute dachten über die Umwelt nach, und aus der Dritten Welt kamen immer neue Nachrichten über schlimme Hungersnöte, ausgelöst durch ein horrendes Bevölkerungswachstum.“

Man sollte den Autoren der Wachstumsstudie Meadows u.a. zugute halten, dass sie gleich zu Beginn der Auseinandersetzung  betonten, dass es sich nicht um eine Prognose handele, sondern dass hier Szenarien durchgespielt wurden. Das Simulationsmodell war ein reines Ressourcenmodell. Die internen Funktionsmechanismen waren einfach gestrickt und konnten nur holzhammerartig sozio-ökonomische Mechanismen einbeziehen. Es fehlte ein Verteilungsmodell, es gab keinen Nord-Süd- und keinen Ostwest-Konflikt. Die mechanistischen Rückkoppelungsschleifen produzierten, was vom begrenzten Raumschiff Erde zu erwarten war, es ging ihm in jedem Szenario der Stoff aus, egal, ob man an der Bildung, der Bevölkerung oder am Umweltschutz drehte. Auf die Schwäche des Modells zielt der FAZ-Artikel aber gar nicht, er mokiert sich über das angebliche Untergangsgerede, das heute doch so eklatant widelegt sei. Es mangele nicht an Ressourcen, sondern wenn wir schon eine Krise haben, dann ist die Ursache Ideenmangel. Und Ideen machen Wachstum, und mehr noch, wenn Wachstum da ist, dann kommen auch Ideen. Und mit dem Wachstum kommt Wohlstand. Gegen alle Wachstumskritik wird das Forscherpaar B.Stevenson, J.Wolfers zitiert, das festgestellt habe, dass die Menschen in reichen Ländern glücklicher sind, als die in armen (da hätte der Autor bei Precht, der in der Kolumne nebenan gehässig als Retro abgekanzelt wird nachlesen können, dass andere Studien  zu ganz anderen Ergebnissen gekommen sind).

Als Beispiel, dass man Ressourcen sparen, und Wachstum schaffen kann, werden die Elektroautos genannt, die leider beim heutigen Energiemix absolut untereffizient (deren Wirkungsgrad ist schlechter als der von Benzinern) ausfallen, und selbst wenn das Elektroauto daheim von der privaten Solartankstelle kommt, dürfte die Gesamtbilanz nicht sonderlich gut ausfallen.

Das FAZ-Fazit: „Inzwischen, so die Bilanz nach vierzig Jahren, beginnen also nicht nur Ökologie und Ökonomie sich zu versöhnen, sondern auch Wachstum und Glücksbedürfnisse. Fast zu schön, um wahr zu sein.“  Wie wahr ist da der letzte Satz!

Neben den Klimaleugnern lebt eine riesen Zahl von offensiven Wachstumsgläubigen (etwa 2/3 der Kommentare des FAZ-Artikel sind pro-Wachstum), und die Zahl derer, die keine Alternative zum Wachstum sehen, ist unermesslich. Wie sollte man den 40-Jährigen der Studie feiern?

Die Studie hat in der Tat das Gefühl, so kann es nicht weiter gehen, global in  großer, gesellschaftlicher Breite angestoßen. Ohne den Club of Rome hätte es vielleicht den Brundlandtbericht (Our common future) nicht gegeben, in dem auf internationalem Niveau die Formel vom „Sustainable development“ public wurde. Man hatte gelernt, eine generelle Wachstumsbremse kann nicht die Lösung für diejenigen sein, die gerade noch am Existenminimum schrabben. Man konzidierte Entwicklung(=Wachstum), aber eben „tragfähige“, „nachhaltige“, „zukunftsfähige“ oder wie immer die deutschen Adjektive dafür heißen mögen. In Rio 1992 (also 20 Jahre nach der „Grenzenstudie“) wurde mit der Agenda 21 diese „begrenzte“ Wachstumsformel weltweit zum Entwicklungsprogramm gemacht. Die Botschaft, wenn wir so weitermachen wie bisher, wird das System kollabieren, war angekommen. Kyoto, G9 und G20, Davos, Durban, etc. sind Zeichen, dass man sich an den globalen Tisch setzt und neue Szenarien durchspielt. Wir sind informiert und versuchen zu handeln.

Die Frage, wie in diesem Nachhaltigkeitsdiskurs Wachstum zu verorten ist, wirde leider bislang nur  in Expertenkreisen diskutiert. Die FAZ-Beilage ist nur ein Zeugnis, wie festgefügt die Hoffnung steht, man könne mit Ideen, mit Effizienzrevolution und anderem Ressourcenschutz unter Wachstumsbedingungen das begrenzte Raumschiff Erde für den Menschen noch lange auf der Bahn halten. Wer wollte auch unsere globale Ökonomie in einen Schrumpfungsprozess überführen, der mit Sicherheit Ressourcenersparnis und CO2-Emissionsreduktionen zur Folge hätte, aber gleichzeitig alle Sozialsysteme sprengen würde. Wie zahlt man  die Arbeitslosen aus, wie finanziert man das Renten- und Gesundheitssystem bei fallenden Staatseinnahmen? Wo bleibt die Kulturförderung, wenn den Sponsoren das Geld knapp wird? Darüber denkt man lieber gar nicht erst nach.

Katastrophenwarnungen haben aber auch ausgedient. Der Rhein hatte sich nach seiner Vergiftung schnell wieder erholt, ölverschmierte Küsten werden abgeschrubbt (oder man versenkt das Öl chemisch auf den Meersebodsen, wie in den USA). Die Klimaveränderung wird Gewinner und Verlierer erzeugen, aber nicht gleich den Planeten wegschwitzen.  Anstmache ist  kein guter Ratgeber für Problemlösungsversuche.

Überlegungen, die in die Zukunft weisen, sind unvermeidlich vom herrschenden Zeitgeist geprägt. 1972 kam die Studie, und ihre große öffentliche Aufnahme erfogte dann zeitgleich mit der 1. großen Ölkrise. D.h. das Bewußtsein für Ressourcenknappheit war damals drängend. Heute wird z.B. der Ölpeak (der Punkt nachdem es nur noch weniger wird) immer wieder nach hinten verschoben, der Ressourcendruck scheint in der Öffentlichkeit nicht mehr so spürbar. Wobei allerdings fast alle letzten kriegerischen Ereignisse im Hintergrund Ressourcensicherungsaktionen waren. Auf dem Tahirplatz hätten vielleicht nur die Kids mit Internetsnschluss gestanden, wenn nicht zuvor massenhafte Unruhen über Nahrungsmittelpreiserhöhung in den Armenvierteln bestanden hätten. Und die globale Nahrungsmittelverknappung, war das ökologische Misswirtschaft, oder nur ein Spekulationsprodukt? Wer weiß die Antworten?

Was einem noch gegen Wachstum einfallen könnte, ist das Problem, dass gerade das von Ressourcen entkoppelte Wachstum, das global frei flotierende Hyperkapital, das dringend Anlage sucht, und keine mehr findet, für das Gedeihen einer „nachhaltigen“ Weltwirtschaft von höchster Gefahr ist. Nach dieser Lesart ist die Eurokrise keine Krise der Staatsüberschuldung, sondern eine der Spekulation gegen diese Staaten.

Nein, Herr Bernau, von einer Versöhnung von Ökonomie und Ökologie kann gar keine Rede sein. Das Nachhaltigkeitsdreieck ist noch schwer am Schliggern.

 
Dieser Beitrag wurde unter Nachhaltigkeit veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert